Das dunkle Paradies
hatten.
»Hast du Haustiere, Lou?«, fragte Hathaway.
»Nein.«
»Ich hätte gern ein paar Tiere, aber Cissy …« Er schüttelte den Kopf und streckte eine Hand mit darauf liegendem Popcorn aus. Eine Taube umkreiste sie, zögerte, täuschte an, stieß dann zu und schnappte sich das Korn. »Ich schätze, Cissy mag einfach keine Tiere.«
»Kann sein«, meinte Burke. »Das ist nicht jedermanns Sache.«
»Du kennst ja Ciss, sie ist so an ihren Alltag zu Hause gewöhnt. Wer weiß, was aus ihr geworden wäre, wenn wir Kinder hätten.«
»Am einfachsten ist es, dem üblichen Trott zu folgen«, sagte Burke.
Der Platz im Stadtzentrum bestand aus einem kleinenbegrünten Dreieck zwischen drei Straßen. In der Mitte stand ein weißes Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, in dem irgendwelche Wohltätigkeitsvereine an Weihnachten Selbstgetöpfertes, Obstkuchen und handbemalte Satinkrawatten verkauften.
»Was hältst du von Stone?«, fragte Hathaway.
Er nahm eine Handvoll Popcorn und warf sie auf den Rasen vor der Bank.
Burke schwieg einen Moment und beobachtete die Tauben, die hin und her flatterten und nach dem Popcorn pickten.
»Na ja«, sagte er schließlich, »ist wohl noch zu früh, etwas zu sagen.«
»Das ist mir klar. Ich will ja nur deinen ersten Eindruck hören.«
»Er ist vielleicht nicht gerade die Ideallösung.«
»Wirklich nicht?«, Hathaway schien erstaunt. »Wie kommst du darauf?«
»Ich weiß nicht genau, es ist nur … Ich hab den Eindruck, er ist ein härterer Bursche, als wir gedacht haben.«
»Lou, er ist eine Pfeife. Er wurde wegen Trunkenheit im Dienst gefeuert. In seiner Personalakte steht, dass er für den Polizeidienst nicht mehr geeignet ist.«
»Ja, ich weiß«, sagte Burke. »Aber er hat auf mich nicht diesen Eindruck gemacht. Immerhin war er bei der Mordkommission in L.A., vergiss das nicht.«
»Und er war halb weggetreten, als wir in Chicago mit ihm gesprochen haben«, meinte Hathaway. Burke sah ihn ausdruckslos an.
»Wie auch immer, wir werden ihn im Auge behalten.Wir wollen ja nicht, dass so ein neugeborener Saubermann seine frisch ausgenüchterte Nase in Dinge steckt, die ihn nichts angehen.«
Burke nickte.
»Ich verstehe immer noch nicht, warum du den Job nicht haben wolltest, Lou«, sagte Hathaway. »Das wäre doch großartig gewesen.«
»Nein«, sagte Burke. »Ich arbeite besser, wenn ich nicht die ganze Verantwortung trage. Wenn ich Polizeichef bin und irgendwas schiefgeht, dann bleibt alles an mir hängen. Bin ich nur ein Cop, der Befehle befolgt, beachtet mich niemand. Ich weiß genauso viel wie als Chief und bin keine so große Zielscheibe. Das kann uns viel mehr nützen.«
»Es wird nichts schiefgehen, Lou.«
»Ich wappne mich lieber gegen alle Möglichkeiten.«
»In Ordnung, Lou, ich versteh dich. Wäre nur schöner gewesen, wenn wir uns in dieser Hinsicht besser verstanden hätten, bevor Tom gegangen ist.«
»Er hätte ohnehin gehen müssen.«
»Ja, ich denke auch.«
Die Tauben flatterten immer noch umher und pickten mechanisch auf dem Boden herum, obwohl kein Popcorn mehr übrig war.
»Vielleicht liege ich ja auch falsch«, meinte Burke.
Hathaway nickte entschlossen.
»Ja«, sagte er. »Wahrscheinlich liegst du falsch. Ich finde, er sieht ziemlich harmlos aus.«
Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Till Leffler mit der Transaktion-ID 2949863 erstellt.
13
Jesse mietete sich ein Apartment in einer Wohnanlage am Meer, die sich Colonial Landing nannte. Die Anlage bestand aus grau gestrichenen Reihenhäusern mit weißen Fensterläden. Jesses Haus bestand aus einem Wohnzimmer, einer Küche mit Essecke, einem kleinen Badezimmer im ersten Stock, zwei Schlafzimmern und einem großen Bad im zweiten Stock. Das Wohnzimmer führte direkt zum Meer hinaus. Breite Schiebetüren gaben den Weg frei auf einen Balkon direkt über dem Wasser. Die Wohnung war nagelneu und wirkte unbenutzt, was, wie Jesse meinte, sehr gut zu seiner momentanen Situation passte. Er stand auf dem kleinen Balkon, trank einen Scotch mit Eis und betrachtete die schäumende Brandung des Atlantiks, die gegen die rostbraunen Felsen unter ihm anrannte. Einen Monat war es jetzt her, als er mitten in der Nacht an dem Geländer in Santa Monica gelehnt, auf den schwarzen Pazifik hinausgesehen und auf Wiedersehen gesagt hatte.
Sein Glas war leer. Er ging nach drinnen, um noch etwas Eis und einen Schluck Black Label einzuschenken, als das Telefon klingelte. Sein kurzläufiger Smith & Wesson lag im
Weitere Kostenlose Bücher