Das dunkle Paradies

das?«
    »Hey, Stone, machen Sie nicht so einen Aufstand. Ich meinte doch bloß, egal, wann’s passiert ist. Ich hab’s nicht getan, also hab ich ein Alibi.«
    »Dreh dich um«, sagte Jesse.
    »Was?«
    »Dreh dich um. Die Hände an die Wand.«
    »Jetzt halten Sie mal die Luft an, Stone.«
    »Willst du Widerstand gegen die Staatsgewalt leisten?«, fragte Jesse.
    Er knöpfte sein Jackett auf.
    »Was wollen Sie denn jetzt tun? Mich erschießen?«
    »Hände an die Wand«, kommandierte Jesse mit ausdrucksloser Stimme.
    Abby hatte sich ein paar Schritte von Jesse entfernt und stand bei den Passanten, die den Vorfall beobachteten. Einige gingen einfach vorbei, als würde nichts Besonderes passieren.
    »Ach, verdammt noch mal«, sagte Jo Jo.
    Er legte die Hände gegen die Wand.
    »Füße einen Schritt nach hinten und auseinander.«
    Jo Jo tat, was ihm befohlen wurde. Sein Gesicht war knallrot, sein Atem ging stoßweise. Jesse berührte seine Knöchel mit der Spitze seiner Schuhe und Jo Jo spreizte die Beine weiter auseinander. Dann durchsuchte er ihn nach Waffen. Als er damit fertig war, trat er ein paar Schritte zurück und starrte ihn wortlos an.
    »Wie lange soll ich denn hier stehenbleiben?«, fragte Jo Jo.
    »Bis ich dir sage, dass du gehen kannst.«
    Er blickte Jo Jo noch eine ganze Minute schweigend an.
    Dann sagte er: »Okay.«
    Jo Jo richtete sich auf und trat von der Wand weg. Er glotzte Jesse an, ohne ein Wort zu sagen. Jesse starrte zurück.
    Dann sagte Jesse ganz ruhig: »Wir beide haben ein kleines Geheimnis, stimmt’s, Kumpel?«
    »Was soll’n das heißen?«
    »Wir wissen beide Bescheid«, sagte Jesse.
    »Ach«, sagte Jo Jo, machte eine wegwerfende Geste mit seiner linken Hand, ging an Jesse vorbei die Straße hinunter und versuchte ganz lässig zu wirken.
    Jesse trat zu Abby.
    »Hast du Lust, im Rosewood zu essen?«, fragte er.
    »Jesus Christus«, sagte Abby.

    Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Till Leffler mit der Transaktion-ID 2949863 erstellt.
37
    »Mir gefällt das nicht«, sagte Hasty, als sie die Tremont Street entlanggingen.
    »Gino sagt, entweder so oder gar nicht«, erklärte Jo Jo. »Er will wissen, mit wem er Geschäfte macht.«
    »Wieso interessiert sich einer wie er für so was?«
    Jo Jo machte eine unbestimmte Handbewegung.
    »Gino ist ’n komischer Typ«, sagte er.
    Sie stiegen die Stufen zum Eingang im Souterrain hinunter und betraten das Büro der Development Associates of Boston. Der hübsche junge Mann hinter dem Empfangspult sah sie an.
    »Sieh an, Tarzan«, sagte er mit einem aufreizenden Lächeln. »Und wer ist das da? Cheetah?«
    Für einen kurzen Moment sah sich Jo Jo schon, wie er diese mickrige Schwuchtel schnappte und seinen Kopf gegen die weiße Ziegelwand knallte. Aber er tat es nicht. Hier ging es um Geschäfte und er dachte an Vinnie Morris, der immer so furchtbar ruhig war und von dem sie behaupteten, er sei sehr schnell, wenn es die Situation erforderte.
    »Gino erwartet uns«, sagte Jo Jo.
    »Ich seh nach. Ihr wartet.«
    Der junge Typ stand auf und ging durch die Tür hinter dem Pult ins Hinterzimmer. Kurz darauf kam er wieder heraus und machte eine einladende Geste, als wäre er der Oberkellner in einem teuren Restaurant. Jo Jo konnte Hastys Widerwillen direkt spüren. Aber Gino war nun mal Gino und er wollte den Kunden vorher kennenlernen.
    Hasty sah sich in Ginos Büro um. Auch hier weiße Ziegel, eine Vase mit Blumen auf dem Schreibtisch. Ein großer, magerer Mann saß dahinter und ein kompakt und effizient aussehender Mann links daneben, den kippelnden Stuhl gegen die Wand gelehnt.
    »Ich bin Gino Fish«, sagte der magere Mann. »Das ist mein Partner Vinnie Morris.«
    Morris ließ sich nicht anmerken, ob er überhaupt mitbekommen hatte, dass Gino etwas gesagt hatte. Er sah sie nur ausdruckslos an. Vinnie Morris wollte Hasty ganz und gar nicht gefallen. Er erinnerte ihn an seinen neuen Polizeichef, obwohl er nicht wusste, wieso. Vielleicht lag es an diesem ausdruckslosen Gesicht; dieser unterschwelligen Andeutung von etwas, das man nicht sah, das aber ausbrechen konnte, wenn man es provozierte.
    »Wie geht’s Ihnen?«, fragte Hasty.
    Warum fühlte er sich so unwohl? Er traf sich mit ein paar Schmalspurgaunern. Er war der Direktor seiner eigenen Bank. Er war der Befehlshaber einer Truppe, die diese beiden Halsabschneider in null Komma nichts fertigmachen würde, wenn er es wollte. Und angesichts der Schwuchtel am Empfangspult konnte man glatt zu