Das dunkle Paradies
Fish schließlich kapiert hatte, wer da vor ihm stand, hatte er ihm aus der Hand gefressen. Ein produktives Treffen, dachte Hasty. Der Handel war perfekt und die Freedom’s Horsemen in Kürze gefechtsbereit. Er würde das Böse nicht ausmerzen können, aber vielleicht schafften es seine Männer, wenn sie erst einmal gut ausgerüstet waren, ihr kleines Stück Amerika sauber und frei zu halten. Sie verließen die Brücke, kamen an den ausgemusterten Mauthäuschen vorbei und fuhren den Hügel hinunter Richtung Chelsea. Hasty musste unbedingt Tammy Portugal aus seinem Leben streichen. Er durfte nicht riskieren, dass sein Lebenswerk von einer käuflichen Frau zunichte gemacht wurde, gerade jetzt, wo er am Ziel seiner Wünsche angekommen war. Er sorgte sich ein wenig wegen seines neuen Polizeichefs. Jesse machte nicht mehr den gleichen Eindruck wie damals, als er ihn angeheuert hatte. Er schien seine Trinkerei unter Kontrolle zu haben. Er schien viel härter und intelligenter zu sein, als sie ihn eingeschätzt hatten, damals in diesem Hotelzimmer in Chicago, wo er nach Schnaps gestunken und versucht hatte, sein Lallen zu unterdrücken. Aber das letzte Wort in dieser Hinsicht war noch nicht gesprochen. Und abgesehen davon, dass er Jo Jo in die Mangel genommen hatte, was Hasty ehrlich gesagt sogar gefallen hatte, war Stone ihm bisher nicht in die Quere gekommen und würde es vielleicht auch in Zukunft nicht. Falls doch, würden sie schon mit ihm klarkommen. Wenn man nurstandhaft war, konnte man mit allen Problemen fertig werden. Nur mit dem Mädchen musste etwas passieren. Er wusste, dass es seine persönliche Schwäche war, die ihn in die Arme dieser Nutte geworfen hatte. Aber er war ein Mann und ein Mann brauchte einfach bestimmte Dinge. Cissy schien unfähig zu sein, sie ihm zu geben. Er wusste nicht warum, und nach einer Weile hatte er aufgehört, darüber nachzudenken. Frauen waren eben Frauen. Er hatte einen Fehler gemacht, aber er würde die Angelegenheit bereinigen.
Er warf einen Blick auf Jo Jo. Eines Tages, wenn er nicht mehr länger von Nutzen war, würde Jo Jo möglicherweise auch beseitigt werden müssen. Aber nicht sofort. Trotz seiner rüpelhaften Dummheit war er gut zu kontrollieren. Sie erreichten die Talsohle, durch die sich die Straße Richtung Chelsea schlängelte, bevor sie sich in die Route 1 nach Norden und den Revere Beach Parkway nach Osten aufspaltete.
»Jo Jo«, sagte Hasty. »Ich möchte, dass du was für mich erledigst.«
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40
Michelle Merchant saß auf der niedrigen Friedhofsmauer gegenüber dem Rathausplatz und rauchte zusammen mit ein paar Freunden Dope. Es machte ihnen Spaß, die Erwachsenen zu nerven. Die Erwachsenen rächten sich, indem sie im Namen des Stadtrats Verbotstafeln mit der Aufschrift »Herumlungern verboten« anbrachten und verlangten, dass die Polizei das Verbotdurchsetzte. Michelle war siebzehn. Sie war nach der Zehnten von der Schule abgegangen und verbrachte so viel Zeit wie möglich auf der Friedhofsmauer.
Als Jesse Stone seinen Dienstwagen auf den Grasflecken neben ihnen steuerte, standen die beiden Jungs, mit denen Michelle dort saß, rasch auf und liefen davon. Michelle blieb sitzen. Sie nahm einen tiefen Zug von ihrem Joint, warf die Kippe auf die Straße, trat sie mit dem Absatz ihrer roten Turnschuhe aus und sah dabei zu, wie Jesse aus dem Auto stieg und auf sie zuging.
»Wollen Sie mich festnehmen, Jesse?«
Sie sprach seinen Namen überdeutlich aus, um ihn daran zu erinnern, dass sie ohne jeden Respekt mit einem Polizeibeamten sprach.
»Wahrscheinlich nicht«, sagte Jesse.
Er setzte sich neben sie auf die Steinmauer.
»Wie geht’s denn so?«, fragte er.
Michelle schnaubte, als wäre die Frage zu blöd, um beantwortet zu werden. Jesse nickte, als hätte sie eine Antwort gegeben. Die Jungs, die weggerannt waren, lungerten jetzt vor dem Einkaufszentrum herum und sahen herüber. Der Verkehr an diesem Morgen war dünn, man konnte die Vögel auf dem Friedhof zwitschern hören. Es war später September und die noch grünen Blätter einiger Bäume hatten gerade begonnen, einen Hauch von Gelb oder Rot anzunehmen. Jesse schwieg. Michelle sah ihn von der Seite her an, verwirrt, verärgert und störrisch. Sie war klein, hatte ein schmales Gesicht, das hübsch gewesen wäre, wenn es nicht diesen leeren Ausdruck gehabt hätte. Ihr blondes Haar hatte eine
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