Das dunkle Paradies
ihm schweigend dabei zu. Simpson brauchte ziemlich lange, um die mehr als hundert Namen auf der Liste durchzuarbeiten. Als er fertig war, gab er Jesse die Liste zurück, setzte die Kappe sorgfältig auf den Füller und steckte ihn wieder in seine Tasche. Die meisten Namen waren angekreuzt.
»Ein paar Leute kenne ich nicht«, sagte Simpson. »Bei denen hab ich ein Fragezeichen gemacht. Bei ein paar anderen Leuten bin ich mir nicht sicher, ob sie bei den Horsemen sind oder nicht. Hinter deren Namen hab ich zwei Fragezeichen gemacht.«
Jesse ging die Liste durch. Es gab nur zwölf Namen, die nicht angekreuzt waren.
»Die meisten sind bei den Horsemen«, stellte er fest.
»Klar«, sagte Simpson. »Es sind immer die Waffennarren, die so einer Miliz beitreten.«
Jesse nickte.
»Waffenbesitz ist wahrscheinlich die Voraussetzung«, sagte er. »Was mich wundert, ist die geringe Anzahl von Nicht-Horsemen mit Waffenschein.«
»Die meisten Leute mögen Waffen nicht.«
Jesse antwortete nicht. Er starrte die Liste eine Weile an, während Simpson dasaß und wartete.
»Wieso interessiert dich das, Jesse?«, fragte Simpson schließlich.
»Nur, um auf dem Laufenden zu bleiben, Suit. Manchmal haben solche Milizen schon Probleme gemacht.«
»Aber die Horsemen sind in Ordnung, Jesse. Ich kenne sie, seit ich ein kleiner Junge war. Sie ballern gern in der Gegend rum und feiern zusammen. Treffen sich nach ihren Übungen zum Biertrinken. Zum Teufel, immerhin ist Lou einer der Offiziere.«
»Wahrscheinlich hast du recht, Suit. Aber ich möchte, dass du es für dich behältst. Lou könnte sich vielleicht darüber aufregen, oder auch Mr. Hathaway, wenn sie herausfinden, dass ich Nachforschungen über sie angestellt habe.«
»Klar, Jesse, kein Problem. Ich werd schon nichts ausplaudern.
»Und noch was, Suit: Falls du von jemandem hören solltest, der einen Waffenschein beantragt und ihn nicht bekommen hat, sag mir doch bitte Bescheid.«
»Soll das auch inoffiziell passieren, Jesse?«
»Ja.«
»Okay«, sagte Simpson, und auf seinem rosigen Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. »Suitcase Simpson, der Undercover-Agent.«
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36
Das Strand-Kino im alten Stadtviertel von Paradise war ein Überbleibsel aus der Zeit, als alle kleinen Städte noch ein Kino hatten. Es gab sogar einen Balkon. Der Raum war sehr hoch, die Leinwand riesig, mit schweren Vorhängen zu beiden Seiten. Jesse mochte den Film nicht besonders. Aber er mochte das Kino. Und er war gerne mit Abby zusammen.
»Wie hat’s dir gefallen?«, fragte sie, als sie auf die Washington Street hinaustraten.
»Wenn der Computer gestreikt hätte, wäre der Film am Ende gewesen«, sagte Jesse.
Er fühlte sich leicht desorientiert, wie es jedes Mal der Fall war, wenn er aus einem Kino kam.
»Computer?«, fragte Abby. »Ach so, du meinst die Special Effects.«
»Hmhm.«
»Aber so werden Filme heutzutage nun mal gemacht. Kunst hat doch vor allem etwas damit zu tun, sich eine bestimmte Technologie zunutze zu machen.«
»Kunst?«
Im Gebäude neben dem Kino gab es im zweiten Stock ein Fitnessstudio und aus der Tür im Erdgeschoss kam ihnen gerade Jo Jo Genest entgegen. Er trug ein schwarzes, ärmelloses T-Shirt, eine graue Trainingshose und ein schwarzes Stirnband. Seine langen Haare waren schweißnass. Er trug die fingerlosen Lederhandschuhe, die sie immer in den Filmen anhatten. Und einen Dreitagebart. Vorne auf dem T-Shirt stand »Ich bin ein Tier, ich werde dich fressen«.
»Hey, Chief Stone«, sagte Jo Jo. »Wie geht’s denn so?« Jesse sah ihn wortlos an.
»Wie geht’s dir, Kleine?«
»Gut«, sagte Abby.
»Haben Sie den Katzenkiller schon gefasst, Chief?« Jesse sah ihn weiterhin stoisch an.
»Was’n los mit Ihnen, können Sie mich nicht hören?«, fragte Jo Jo.
Einige von den Leuten, die aus dem Kino kamen, verlangsamtenihre Schritte, um die Auseinandersetzung zu beobachten.
»Hast du ein Alibi für die Zeit, als die Katze umgebracht wurde?«, fragte Jesse. Er lächelte wegen der Leute um sich herum, die so taten, als würden sie die ganze Sache nicht weiter zur Kenntnis nehmen.
»Klar hab ich das«, sagte Jo Jo.
»Woher weißt du denn, wann die Katze umgebracht wurde?«
»Hm?« Jo Jo hörte auf zu grinsen.
»Wenn du ein Alibi für die Zeit hast, als die Katze umgebracht wurde, musst du auch wissen, wann die Katze getötet wurde. Woher weißt du
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