Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
Vom Netzwerk:
denn ein Mittel gegen den Lärm?«
    Sie schüttelt den Kopf, aber nicht weil sie Nein sagen will. »Meine Güte, du scheinst wirklich nicht von hier zu sein!«
    Ich setze das Glas Wasser ab, beuge mich zu ihr und sage leise: »Maddy, gibt es hier irgendwo eine Sendeanlage?«
    Sie schaut mich an, als hätte ich sie eben gefragt, ob sie mit mir auf einen der Monde umziehen will. »Damit ich Kontakt mit den Raumschiffen aufnehmen kann«, erkläre ich ihr. »Eine Art große runde Schüssel. Oder auch ein Turm.«
    »Oben auf dem Hügel steht ein alter Eisenturm«, sagt sie genauso leise wie ich, »aber ich habe keine Ahnung, ob es ein Sendeturm ist. Er ist schon seit Jahren verlassen. Du kannst da auch gar nicht hinauf. Draußen ist eine ganze Armee, Viola.«
    »Wie viele sind es?«
    »Mehr als genug.« Wir unterhalten uns immer noch im Flüsterton. »Die Leute sagen, sie werden heute Nacht die letzten Frauen aussondern.«
    »Wozu?«
    Maddy zuckt die Schultern. »Corinne hat gesagt, eine Frau unter den Zuschauern habe ihr erzählt, man habe auch die Spackle zusammengetrieben.«
    Ich setze mich so hastig auf, dass die Verbände spannen. »Spackle?«
    »Das sind die Ureinwohner, die hier leben.«
    »Ich weiß, wer die Spackle sind.« Ich richte mich weiter auf und meine Verbände drücken jetzt richtig. »Todd hat mir erzählt, was früher hier passiert ist. Maddy, wenn Bürgermeister Prentiss Frauen und Spackle aussondert, dann sind wir in Gefahr. In allergrößter Gefahr sogar.«
    Ich schlage die Bettdecke zurück, um aufzustehen, aber der Schmerz schießt wie ein Blitz in meinen Bauch. Ich stöhne auf und falle zurück auf mein Lager.
    »Jetzt ist ein Faden gerissen«, sagt Maddy vorwurfsvoll.
    »Bitte …« Ich beiße die Zähne zusammen, so weh tut es. »Wir müssen weg von hier. Wir müssen fliehen!«
    »Du bist nicht in der Verfassung, irgendwohin zu fliehen«, sagt sie und macht sich an meinem Verband zu schaffen.
    Genau in diesem Moment kommt der Bürgermeister zur Tür herein.

6
    Die zwei Seiten der Geschichte
    (VIOLA)
    Mistress Coyle führt ihn ins Zimmer. Ihre Miene ist ernster als sonst, sie beißt die Zähne zusammen. Obwohl wir uns erst einmal begegnet sind, weiß ich, dass sie nicht erfreut ist über diesen Besuch.
    Er steht hinter ihr. Groß gewachsen, schlank, aber mit breiten Schultern, ganz in Weiß gekleidet, den Hut behält er auf dem Kopf.
    Ich habe ihn nie richtig gesehen. Ich blutete, war dem Tode nahe, als er zu uns trat, damals auf dem Stadtplatz.
    Aber er ist es.
    Er muss es sein.
    »Guten Abend, Viola«, begrüßt er mich. »Ich habe so lang darauf gewartet, dich kennenzulernen.«
    Mistress Coyle sieht, wie ich mit meiner Bettdecke kämpfe und dass Maddy die Hand ausstreckt, um mir zu helfen. »Stimmt etwas nicht, Madeleine?«
    »Ein Albtraum«, sagt Maddy und sieht mich beschwörend an. »Ich fürchte, ein Faden ist gerissen.«
    »Darum kümmern wir uns später«, sagt Mistress Coyle, und die ernste und bestimmte Art, in der sie das sagt, lässt Maddy aufhorchen. »Gib ihr inzwischen vierhundert Einheiten Jefferswurzel.«
    »Vierhundert?«, fragt Maddy überrascht nach, aber als sie Mistress Coyles Blick sieht, sagt sie nur: »Ja, selbstverständlich.« Sie drückt tröstend meine Hand und geht hinaus.
    Der Mann und die Frau betrachten mich eine Zeit lang, dann sagt der Bürgermeister: »Ich brauche Euch jetzt nicht mehr, Mistress.«
    Mistress Coyle blickt mich schweigend an, als sie aus dem Zimmer geht, vielleicht, um mir Mut zuzusprechen, vielleicht, um mich etwas zu fragen oder mir etwas mitzuteilen, aber ich habe viel zu viel Angst, um jetzt darüber nachzudenken.
    Da schließt sich auch schon die Tür hinter ihr.
    Und dann bin ich allein mit ihm.
    Er schweigt beharrlich, bis mir klar wird, dass ich das Gespräch beginnen soll. Ich ziehe die Bettdecke hoch bis über die Brust und bei der Bewegung schießt ein schneidender Schmerz durch meine Seite.
    »Ihr seid Bürgermeister Prentiss«, sage ich nun mit zittriger Stimme.
    »Präsident Prentiss«, korrigiert er mich, »aber du kennst mich natürlich noch als Bürgermeister.«
    »Wo ist Todd? Was habt Ihr mit ihm gemacht?«
    Er lächelt wieder. »Der erste Satz klug, der zweite mutig. Wir könnten irgendwann Freunde werden.«
    »Ist er verletzt?« Ich schlucke, um das Brennen in meinem Hals loszuwerden. »Ist er am Leben?«
    Einen Augenblick lang sieht es so aus, als würde er nicht antworten, als würde er die Frage nicht einmal zur

Weitere Kostenlose Bücher