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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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Kenntnis nehmen, aber dann sagt er: »Todd ist wohlauf. Er lebt, es geht ihm gut und er fragt bei jeder Gelegenheit nach dir.«
    Ich merke, dass ich den Atem angehalten habe, um seine Antwort nur ja genau zu hören. »Ist das wahr?«
    »Natürlich ist es wahr.«
    »Ich will ihn sehen.«
    »Und er will dich sehen«, sagt Bürgermeister Prentiss. »Aber alles der Reihe nach.«
    Er lächelt. Fast ist es ein freundliches Lächeln.
    Hier steht der Mann, vor dem wir wochenlang davongelaufen sind, er steht vor mir, in meinem Zimmer, und ich kann mich vor Schmerzen kaum bewegen.
    Und er lächelt.
    Er lächelt beinahe freundlich.
    Wenn er Todd etwas angetan hat, wenn er ihm auch nur ein Haar gekrümmt hat …
    »Bürgermeister Prentiss …«
    »Präsident Prentiss«, wiederholt er, dann fügt er liebenswürdig hinzu: »Aber du kannst David zu mir sagen.«
    Ich erwidere nichts, sondern drücke nur noch fester gegen meinen Verband, um gegen die Schmerzen anzukämpfen.
    Der Mann strahlt etwas aus. Etwas, was ich nicht richtig einordnen kann.
    »Vorausgesetzt, ich darf dich Viola nennen«, sagt er.
    Es klopft an der Tür. Maddy tritt ein, in der Hand hält sie ein Glasfläschchen. »Jeffers«, sagt sie, den Blick fest auf den Boden gerichtet. »Gegen die Schmerzen.«
    »Ja, natürlich.« Der Bürgermeister rückt von meinem Bett fort und verschränkt die Hände auf dem Rücken. »Nur zu.«
    Maddy schenkt mir ein Glas Wasser ein und sieht zu, wie ich vier gelbe Kapseln schlucke, zwei mehr als zuvor. Dann nimmt sie das Glas und wirft mir, ohne dass der Bürgermeister es sieht, einen eindringlichen Blick zu, kein Lächeln, sondern einen Blick, der mir Mut zuspricht, und ich fühle mich tatsächlich ein bisschen besser, ein bisschen stärker.
    »Sie wird gleich sehr müde werden«, sagt Maddy zum Bürgermeister und auch jetzt blickt sie ihn nicht an.
    »Ich verstehe«, sagt der Bürgermeister.
    Maddy geht und schließt die Tür hinter sich. In meinem Bauch breitet sich sofort ein Gefühl der Wärme aus, aber es dauert noch eine Minute, bis der Schmerz nachlässt und das Zittern aufhört.
    »Also«, fragt der Bürgermeister. »Darf ich nun?«
    »Dürft Ihr was?«
    »Viola zu dir sagen?«
    »Ich kann Euch nicht daran hindern«, entgegne ich.
    »Gut.« Er setzt sich nicht, er bewegt sich nicht, das Lächeln ist auf seinem Gesicht festgefroren. »Wenn es dir besser geht, Viola, würde ich mich gern mit dir unterhalten.«
    »Worüber?«
    »Über die Raumschiffe natürlich«, antwortet er. »Genau in diesem Moment sind sie im Anflug auf New World.«
    Ich muss schlucken. »Welche Raumschiffe?«
    »Oh nein, nein, nein.« Er schüttelt den Kopf, aber er lächelt weiter. »Vorhin warst du klug und mutig. Du hast zwar Angst, aber die hat dich nicht daran gehindert, ruhig und verständig mit mir zu reden. Wirklich sehr bewundernswert.« Er beugt den Kopf zu mir herab. »Aber es fehlt noch die Aufrichtigkeit. Wir müssen von Anfang an aufrichtig zueinander sein, Viola, denn wie soll es zwischen uns weitergehen ohne Aufrichtigkeit?«
    Was meint er mit »weitergehen«?
    »Ich habe dir gesagt, dass Todd am Leben ist und dass es ihm gut geht«, fährt er fort, »und was ich dir sage, ist wahr.« Er legt eine Hand auf das Fußende des Betts. »Er wird auch weiterhin in Sicherheit sein.« Er macht eine Pause. »Und du wirst mir die Wahrheit sagen.«
    Und ohne dass er es ausdrücklich sagen muss, begreife ich, dass ich das eine nicht ohne das andere haben kann.
    Die Wärme breitet sich von meinem Bauch in meinen ganzen Körper aus, alles scheint langsamer zu werden, träger. Der stechende Schmerz in meiner Seite lässt nach, aber mit ihm auch meine Wachheit. Weshalb die doppelte Dosis, wenn sie mich so schnell einschlafen lässt? So schnell, dass ich nicht mehr weitersprechen kann?
    Oh.
    Oh.
    »Ich muss ihn mit eigenen Augen sehen, damit ich Euch glauben kann«, fordere ich.
    »Bald«, erwiderte er. »Aber zuvor gibt es noch viel zu tun in New Prentisstown. Vieles, was geschafft, und vieles, was wieder abgeschafft werden muss.«
    »Ob die Menschen es wollen oder nicht.« Meine Lider werden schwer. Ich kann nur mit Mühe die Augen aufhalten. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich laut gesprochen habe.
    Natürlich lächelt er. »Ich sage es immer und immer wieder, Viola. Der Krieg ist vorbei. Ich bin nicht dein Feind.«
    Ich sehe ihn überrascht unter bleischweren Lidern hervor an.
    Ich habe Angst vor ihm. Echte Angst.
    Aber … »Ihr wart der Feind der

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