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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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Krankenhaus?«
    Sie trägt einen langen, weißen Mantel wie Mistress Coyle, dazu ein kleines, weißes Häubchen, auf das eine blaue, ausgestreckte Hand gestickt ist, eine Art Lehrlingstracht, wie sie mir erklärt. Sie ist höchstens ein, zwei Jahre älter als ich, wie auch immer man das Alter hier auf diesem Planeten bestimmen mag, aber ihre Hände bewegen sich selbstsicher, sanft und stark.
    »Die Frage ist nur«, sagt sie mit vorgetäuschter Munterkeit, »wie böse sind diese Bösewichte wirklich?«
    Die Tür geht auf. Ein zierliches Mädchen, das ebenfalls ein Häubchen trägt, steckt den Kopf herein. Es ist so alt wie Maddy, aber seine Haut ist dunkelbraun und sein Blick finster wie eine Sturmwolke. »Mistress Coyle sagt, du sollst sofort Schluss machen.«
    Maddy blickt nicht auf, während sie einen neuen Verband an meiner Stirn anbringt. »Mistress Coyle weiß, dass ich noch nicht einmal die Hälfte meiner Arbeit erledigt haben kann.«
    »Wir sollen uns alle versammeln«, sagt das Mädchen.
    »Du sagst das so, als müssten wir ständig alles stehen und liegen lassen, Corinne.« Die Verbände sind fast so gut wie die auf unserem Raumschiff, das Mittel fängt schon an zu wirken, es kühlt und meine Augenlider werden schwer. Maddy ist mit dem Stirnverband fertig und schneidet nun einen anderen Verband für meinen Rücken zurecht. »Ich bin gerade mit einer Patientin beschäftigt.«
    »Ein Mann mit einem Gewehr ist gekommen«, sagt Corinne.
    Maddy hält inne.
    »Alle sollen sich auf dem Stadtplatz versammeln«, fährt Corinne fort. »Auch du, Maddy Poole, ob du gerade mit einer Patientin beschäftigt bist oder nicht.« Sie verschränkt die Arme energisch vor der Brust. »Ich wette, die Armee ist da.«
    Maddy schaut mich an, aber ich weiche ihrem Blick aus.
    »Jetzt werden wir endlich erfahren, welches Ende uns bevorsteht«, sagt Corinne.
    Maddy verdreht die Augen. »Du und deine Witze. Sag Mistress Coyle, ich werde in zwei Sekunden da sein.«
    Corinne wirft ihr einen verdrießlichen Blick zu und geht dann hinaus. Maddy verbindet meinen Rücken, ich kann mich jetzt kaum noch wachhalten.
    »Du wirst schlafen«, sagt Maddy. »Es wird alles gut werden, du wirst schon sehen. Weshalb sollten sie dich retten, wenn sie vorhätten …« Sie führt den Satz nicht zu Ende, sie beißt sich auf die Lippe und lächelt dann. »Ich sage immer, Corinne hat genügend von dem nötigen Ernst, dass er für uns beide reicht.«
    Ihr Lächeln ist das Letzte, was ich sehe, bevor ich einschlafe.
    »Todd!«
    Ich schrecke aus dem Schlaf hoch, der Albtraum verfliegt, Todd ist weit weg.
    Ich höre ein lautes Poltern. Maddy sitzt auf dem Stuhl neben meinem Bett, ein Buch ist ihr vom Schoß gerutscht. Wie ich ist sie davon wach geworden und schaut mich blinzelnd an. Es ist Nacht, im Zimmer ist es dunkel, nur eine kleine Lampe brennt dort, wo Maddy eigentlich lesen wollte.
    »Wer ist Todd?«, fragt sie und in ihr Gähnen mischt sich ein Lächeln. »Dein Freund?« Als sie meinen Blick sieht, hört sie sofort auf mich zu necken. »Jemand, der dir etwas bedeutet?«
    Ich nicke, mein Atem geht immer noch schwer von dem Albtraum, den ich gerade hatte, das Haar klebt mir schweißnass an der Stirn. »Ja, jemand, der mir etwas bedeutet.«
    Sie schenkt mir aus einem Krug neben dem Bett ein Glas Wasser ein. »Was ist passiert?«, frage ich und trinke einen Schluck. »Solltet ihr euch nicht auf dem Platz versammeln?«
    »Ach, ja«, sagt Maddy und lehnt sich zurück. »Das war sehr aufschlussreich.«
    Dann erzählt sie, wie sich alle Bewohner der Stadt – früher Haven, jetzt New Prentisstown geheißen, ein Name, bei dem sich mir der Magen umdreht – versammelt haben, um zuzusehen, wie die Armee einmarschiert und wie der neue Bürgermeister den alten hinrichtet.
    »Nur dass er ihn gar nicht hingerichtet hat«, sagt Maddy. »Er hat ihn am Leben gelassen. Und uns will er auch alle verschonen. Er sagte, er werde uns das Mittel gegen den Lärm wegnehmen – was den Männern natürlich gar nicht behagte –, aber so schön es ja zweifellos in den letzten sechs Monaten gewesen sei, nicht immer dieses Gejammere anhören zu müssen, so müssten wir doch alle neu lernen, wo wir hingehörten und wer wir seien, damit wir alle gemeinsam eine neue Heimat schaffen könnten für die Siedler, die noch kommen würden.«
    Sie zieht die Augenbrauen hoch, wartet, dass ich etwas darauf erwidere.
    »Ich habe höchstens die Hälfte von dem verstanden, was du gesagt hast. Gibt es

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