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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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von diesem Feind, weißt du.« Er schüttelt den Kopf. »Aber schließlich gerieten sie vollends außer Kontrolle, glaubten, ihre eigenen Gesetze machen zu können. Als der Spackle-Krieg zu Ende war, haben sie sogar unsere Stadt überfallen. Schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als einige von ihnen hinzurichten. Eine üble Sache.«
    »Aber wenn ihr sie hingerichtet habt, wie können sie es dann jetzt gewesen sein?«
    »Weil eine Idee weiterlebt, auch wenn die Menschen, die für sie standen, schon längst tot sind.« Er rülpst leise. »Ich weiß nicht, was sie damit bezwecken wollen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Präsident sie aufspürt.«
    »Aber auch Männer sind verschwunden«, sage ich, denn es stimmt, aber ich glaube …
    (Ist sie mit ihnen gegangen?)
    Ich fahre mir mit der Zunge über die Lippen.
    »Diese Häuser der Heilung , in denen die Frauen arbeiten«, beginne ich, »sind sie irgendwie gekennzeichnet? Kann man ihnen ansehen, was sich hinter ihren Mauern verbirgt?«
    Er nimmt einen Schluck Wasser und mustert mich über den Rand seines Bechers hinweg. »Warum willst du das wissen?«
    Ich raschle ein bisschen mit meinem Lärm, um mich auf keinen Fall zu verraten. »Nur so«, sage ich ausweichend. »Vergiss es.« Ich stelle mein Abendessen auf den kleinen Tisch, den man uns gebracht hat. Das bedeutet, dass er den Rest essen darf. So haben wir es ausgemacht. »Ich schlafe jetzt.«
    Ich lege mich auf mein Bett und drehe mich mit dem Gesicht zur Wand hin. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne scheinen durch die Mauerlöcher. Sie sind nicht verglast und der Winter steht vor der Tür. Ich weiß nicht, wie wir diese Kälte überstehen sollen. Ich stecke die Arme unter die Bettdecke und ziehe die Knie hoch, dabei gebe ich mir Mühe, nicht allzu laut zu denken. Ich höre, wie Bürgermeister Ledger den Rest meines Abendessens verschlingt.
    Aber dann schwebt ein Bild durch seinen Lärm auf mich zu, es ist das Zeichen einer ausgestreckten Hand, ganz in Blau.
    Ich drehe mich um und schaue zu ihm hinüber. Ich habe so etwas schon gesehen, mindestens auf zwei verschiedenen Häusern, als ich zum Kloster geritten bin.
    »Es gibt fünf davon«, sagt er leise. »Ich kann dir sagen, wo sie sind. Wenn du willst.«
    Ich forsche in seinem Lärm, er in meinem. Wir beide verbergen etwas voreinander, verbergen es unter Gedankenfetzen. Schon so lange sind wir gemeinsam eingesperrt, und noch immer wissen wir nicht, ob einer dem anderen trauen kann.
    »Sag’s mir«, bitte ich ihn.
    »1017«, lese ich Davy vor, als er den Nietapparat spannt und das Band einem Spackle anheftet, der damit zu 1017 geworden ist.
    »Genug für heute«, sagt Davy und wirft den Apparat in die Tasche zurück.
    »Wir haben noch …«
    »Ich habe gesagt: Genug für heute.« Er humpelt zu unserer Wasserflasche und nimmt einen Schluck. Eigentlich müsste sein Bein inzwischen wieder geheilt sein. Mein Arm ist wieder in Ordnung, aber er humpelt noch.
    »Wir hätten nach einer Woche fertig sein sollen«, sage ich. »Und jetzt sind wir schon zwei Wochen damit beschäftigt.«
    »Ich sehe niemanden, der uns antreibt«, erwidert er und spuckt das Wasser auf den Boden. »Du etwa?«
    »Ja, aber …«
    »Wir haben keine neuen Anweisungen, keine neue Arbeit.« Er verstummt, nimmt noch einen Schluck Wasser aus der Flasche und spuckt es wieder aus. »Was glotzt du so?«
    1017 steht immer noch da, presst eine Hand auf das Band und starrt uns an. Ich glaube, es ist ein männlicher Spackle, noch jung, nicht ganz erwachsen. Er schnalzt uns an, dann noch einmal, und obwohl er keinen Lärm hat, klingt sein Schnalzen rüde.
    Davy scheint das Gleiche zu denken. »Ach ja?« Er greift nach seinem Gewehr, das ihm über der Schulter hängt, in seinem Lärm schießt er wieder und wieder auf fliehende Spackle.
    Aber 1017 weicht nicht von der Stelle. Er schaut mich an und schnalzt. Ja, eindeutig ein Rüpel.
    Dann geht er weg, aber auch im Weggehen starrt er noch auf uns, reibt über sein Metallband. Davy hat sein Gewehr angelegt und zielt auf 1017.
    »Tu’s nicht«, bitte ich ihn.
    »Warum nicht?«, fragt Davy zurück. »Wer soll uns daran hindern?«
    Was soll ich darauf sagen, es ist ja niemand da.
    Jeden dritten oder vierten Tag explodiert eine Bombe. Keiner weiß, wo die nächste hochgehen wird und wer sie legt, aber dann – Wumm! Wumm! Wumm! – am Abend, an dem die sechste Bombe explodiert – diesmal ist es ein kleiner Atomreaktor – kommt Bürgermeister

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