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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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Ledger mit einem blutunterlaufenen Auge und einer geschwollenen Nase zurück.
    »Was ist passiert?«, frage ich ihn.
    »Soldaten«, faucht er. Er nimmt sofort seinen Teller mit dem Abendessen, schon wieder Eintopf, und zuckt zusammen, als er sich den ersten Bissen in den Mund stopft.
    »Was hast du gemacht?«
    Sein Lärm schwillt an und er wirft mir einen wütenden Blick zu. »Ich habe gar nichts gemacht.«
    »Du weißt schon, was ich meine.«
    Er brummt etwas vor sich hin, isst einen Löffel Eintopf und sagt dann: »Einige von denen hatten den glänzenden Einfall, dass ich die Antwort sein könnte. Ausgerechnet ich.«
    »Du?«, frage ich, fast schon ein wenig zu überrascht.
    Er steht auf und stellt seinen Teller Eintopf hin, den er fast nicht angerührt hat, ein sicheres Zeichen für mich, dass er wirklich sauer ist. »Sie finden die Frauen nicht, die den Schlamassel angerichtet haben, und die Soldaten brauchen jemanden, dem sie die Schuld in die Schuhe schieben können.« Er starrt durch ein Turmloch hinaus in die Nacht, die sich über die Stadt, die einmal seine Heimat war, herabsenkt. »Und ist dein werter Herr Präsident vielleicht eingeschritten, als sie mich geschlagen haben?«, sagt er mehr zu sich selbst. »Nein, das ist er nicht.«
    Ich esse weiter und versuche alles, was ich nicht denken will, aus meinem Lärm herauszuhalten.
    »Die Leute«, fährt Bürgermeister Ledger fort, »sprechen von einer jungen Heilerin, die man bisher nicht kannte und die vor einiger Zeit hier in dieser Kathedrale ein und aus gegangen ist. Sie arbeitet jetzt in dem Haus der Heilung , das früher von Mistress Coyle geleitet wurde.«
    Viola, denke ich laut und deutlich, noch ehe ich meinen Gedanken verheimlichen kann.
    Bürgermeister Ledger blickt mich an. »Das Haus wirst du noch nicht gesehen haben. Es liegt abseits der Hauptstraße, am Fuß eines kleinen Hügels flusswärts, ungefähr auf halbem Weg zum Kloster. Wo an der Straße zwei Scheuen nebeneinanderstehen, musst du abbiegen.« Er schaut wieder durch das Turmloch. »Man kann es gar nicht verfehlen.«
    »Ich darf mich keinen Schritt von Davy entfernen«, sage ich.
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, antwortet Bürgermeister Ledger und legt sich auf sein Bett. »Ich erzähle dir lediglich ein paar Belanglosigkeiten über unsere schöne Stadt.«
    Ich atme schwer, meine Gedanken und mein Lärm kreisen nur um eines: Wie komme ich weg von Davy, wie komme ich zu diesem Haus? (Um sie zu finden.)
    Erst später denke ich daran zu fragen: »Wer ist Mistress Coyle?«
    Ich sehe ihn zwar nicht, aber ich spüre, wie Bürgermeister Ledgers Lärm sich rot färbt. »Ah, ja«, sagt er in die Dunkelheit hinein. »Sie könnte die Antwort sein, nicht wahr?«
    »Das ist die Letzte«, sage ich und schaue Spackle 1182 nach, wie sie davonschleicht und ihr Handgelenk reibt.
    »Wird, verdammt noch mal, auch Zeit«, knurrt Davy und lässt sich ins Gras plumpsen. Die Luft ist kühl, aber die Sonne scheint und der Himmel ist fast wolkenlos.
    »Was machen wir jetzt?«, frage ich.
    »Keine blasse Ahnung.«
    Ich stehe da und sehe den Spackle zu. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, sie seien kaum klüger als Schafe.
    »Sind sie auch nicht«, sagt Davy und schließt die Augen, weil ihn die Sonne blendet.
    »Halt die Klappe«, sage ich.
    Andererseits, wenn man sie so anschaut … Sie sitzen im Gras, ohne Lärm, geben keinen Laut von sich, einige starren uns an, der Rest starrt einander an, ab und zu schnalzen sie mit der Zunge, aber sie rühren sich so gut wie nicht vom Fleck, machen nichts, weder mit ihren Händen noch mit ihrer Zeit. Mit den fahlen Gesichtern, die aussehen, als sei jegliches Leben aus ihnen gewichen, sitzen sie einfach da, warten, warten auf irgendetwas, was immer es auch sein mag.
    »Und jetzt ist es Zeit für dieses Irgendetwas«, ruft eine Stimme hinter uns. Davy springt auf, als der Bürgermeister durch das Haupttor kommt, sein Pferd hat er draußen angebunden.
    Aber er sieht mich an, nur mich. »Bereit für deine neue Aufgabe?«
    »Mit mir hat er seit Wochen kaum geredet«, schäumt Davy, als wir nach Hause reiten. Zwischen ihm und seinem Pa läuft es nicht so gut. »Und wenn, dann heißt es immer nur: ›Pass auf Todd auf‹ oder: ›Beeil dich mit den Spackle‹.« Er packt die Zügel fester. »Und kriege ich dafür wenigstens ein Dankeschön? Sagt er wenigstens: ›Gut gemacht, David‹?«
    »Wir sollten die Spackle in einer Woche nummerieren«, sage

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