Das dunkle Paradies
in gleichmäßigen Reihen an, aber er versucht dabei immer, meinen Blick zu erhaschen.
Er schnalzt mich an.
Ich gehe auf ihn zu, die Hand am Gewehrschaft, graue Wolken ziehen über uns auf. »Ich habe dich zu Davy geschickt«, fahre ich ihn an. »Was hast du hier zu suchen?«
Davy hört seinen Namen und ruft mir quer über die Baustelle zu: »Was gibt’s?«
Ich rufe zurück: »Warum lässt du den immer wieder hierherkommen?«
»Wovon, zum Teufel, sprichst du?«, fragt er. »Die sehen doch alle gleich aus!«
»Ich meine 1017!«
Davy zuckt demonstrativ die Schultern. »Na und?«
Hinter mir höre ich ein Zungenschnalzen, ein vorlautes, freches.
Ich drehe mich um, und ich könnte schwören, dass 1017 mich angrinst.
»Du kleiner Drecks…«, knurre ich und packe mein Gewehr.
Im gleichen Augenblick sehe ich, wie Lärm aufblitzt.
Er kommt von 1017.
Sein Lärm ist sofort wieder verschwunden, aber er war ganz klar und deutlich, ich war darin, wie ich vor ihm stehe mit dem Gewehr. Sein Lärm zeigt nur das, was er mit den Augen sieht. Aber dann – blitzschnell – reißt er mir in seinen Gedanken das Gewehr aus der Hand. Sein Lärm verstummt.
Ich halte das Gewehr immer noch in der Hand, 1017 steht immer noch bis zu den Knien im Graben.
Keine Spur von Lärm mehr.
Ich mustere ihn von Kopf bis Fuß. Er ist magerer als sonst, aber das sind sie alle, sie bekommen nie genug Futter. Ich frage mich, ob 1017 überhaupt etwas isst.
Deshalb bekommt er auch nicht genügend Arznei.
»Was hast du vor?«, frage ich ihn.
Aber er ist schon wieder bei der Arbeit, gräbt armtief in der Erde, man sieht seine Rippen durch die weiße, weiße Haut scheinen.
Und er sagt kein Wort.
»Warum bekommen sie weiterhin die Arznei, wenn doch dein Pa sie allen anderen wegnimmt?«
Es ist am nächsten Tag und wir essen zu Mittag. Schwere Wolken sind aufgezogen, wahrscheinlich wird es bald anfangen zu regnen, der erste Regen seit langer Zeit, und es wird ein kalter Regen werden, aber wir haben Anweisung weiterzuarbeiten, komme, was da wolle, und so beaufsichtigen wir den ganzen Tag lang die Spackle, wie sie den ersten Beton aus der Mischmaschine laufen lassen.
Ivan hat die Maschine heute Morgen gebracht, sein Bein ist verheilt, aber er humpelt noch. Und sein Lärm kocht. Wo ist jetzt die Macht, von der er sprach?
»Auf diese Weise kommen sie wenigstens nicht auf dumme Gedanken«, sagt Davy. »Und können ihre Ideen nicht austauschen.«
»Aber sie können sich mit Zungenschnalzen verständigen«, überlege ich laut.
Davy antwortet mit einem Achselzucken, was so viel heißt wie: Wen interessiert das schon, Schweinebacke. »Ist noch ein Sandwich da?«
Ich gebe ihm mein Sandwich und lasse die Spackle nicht aus den Augen. »Wäre es nicht gut, wenn wir wüssten, was sie denken?«, frage ich.
Ich halte auf dem Feld Ausschau nach 1017, der mich natürlich wieder beobachtet.
Platsch. Der erste Regentropfen bleibt an meiner Wimper hängen.
»Ach, Scheiße«, sagt Davy und sieht besorgt zum Himmel hinauf.
Es regnet drei Tage lang ununterbrochen. Der Boden auf der Baustelle wird immer sumpfiger, aber der Bürgermeister will, dass wir weiterarbeiten, also verbringen wir die nächsten drei Tage damit, durch den Schlamm zu rutschen und große Planen auf Pfosten zu spannen, um wenigstens einen Teil des Geländes vor der Nässe zu schützen.
Davy arbeitet unter der Plane, er scheucht die Spackle herum, damit sie die Pfosten festhalten. Ich verbringe die meiste Zeit draußen im strömenden Regen und versuche die Enden der Planen mit schweren Steinen auf dem Boden zu beschweren. Es ist ein Scheißjob.
»Beeilt euch!«, befehle ich den Spackle, die mir dabei helfen, eine Ecke der Plane am Boden zu befestigen. Meine Finger werden klamm, denn niemand hat uns Handschuhe gegeben, und der Bürgermeister, den wir danach hätten fragen können, lässt sich nicht blicken. »Autsch!« Ich drücke meinen blutenden Knöchel an die Lippen, ich habe mir zum tausendsten Mal die Hand aufgeschürft.
Die Spackle hantieren mit den Steinen, ihnen scheint der Regen gar nichts auszumachen, und das ist gut, denn unter der Plane ist ohnehin kein Platz für alle.
»Hey!«, schreie ich. »Haltet die Plane fest! Passt auf …«
Ein Windstoß reißt die Plane los, die wir gerade erst am Boden befestigt haben. Einer der Spackle bekommt sie zu fassen, als der Wind sie gerade fortwehen will, die Plane reißt ihn um, er stürzt der Länge nach hin. Ich springe über ihn
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