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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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Klostergelände in sieben Tagen niedergerissen, zwei Tage früher, als unser Zeitplan es vorsieht, und kein einziger Spackle ist dabei ums Leben gekommen, nur ein paar haben sich den Arm gebrochen. Diese Spackle wurden danach von den Soldaten ausgesondert.
    Seitdem haben wir sie nicht mehr gesehen.
    Am Ende der zweiten Woche nach dem Bombenangriff auf den Turm haben wir fast alle Fundamente ausgehoben und die Gruben gegraben, die später ausgegossen werden. Davy und ich sollen die Arbeiten beaufsichtigen, obwohl die Spackle wissen, wie man das macht.
    »Pa sagt, sie selbst haben die Stadt nach dem Spackle-Krieg wieder aufgebaut«, erzählt Davy. »Obwohl man diesem erbärmlichen Haufen so was überhaupt nicht zutrauen würde.«
    Er spuckt die Schale eines Korns aus, auf dem er herumkaut. Die Lebensmittel werden schon ein wenig knapp, weil die Antwort jetzt nicht mehr nur Bomben wirft, sondern auch die Vorratslager plündert, aber Davy gelingt es immer, etwas zusammenzukratzen. Wir sitzen auf einem Haufen Steine und schauen auf das große Feld, das nun mit viereckigen Löchern übersät ist, zwischen denen Felsbrocken liegen, sodass den Spackle kaum Platz bleibt, sich zusammenzurotten.
    Aber sie tun es trotzdem, sie quetschen sich bis in die letzten Winkel und drängen sich zusammen, um sich vor der Kälte zu schützen. Und sie geben keinen Laut von sich.
    Davy spuckt noch eine Schale aus. »Wirst du überhaupt jemals wieder normal reden?«
    »Ich rede doch«, antworte ich.
    »Nein, deine Arbeitstruppe schreist du zusammen und mich knurrst du an, das würde ich nicht gerade ›reden‹ nennen.« Er spuckt wieder eine Schale aus, im hohen Bogen. Sie trifft den Spackle, der uns am nächsten steht, am Kopf. Der wischt sie weg und gräbt weiter.
    »Sie hat dich verlassen«, fährt Davy fort. »Finde dich damit ab.«
    Mein Lärm wird lauter. »Halt die Klappe.«
    »Das war nicht böse gemeint.«
    Ich schaue ihn mit großen Augen an.
    »Was ist?«, fragt er. »Ich meine ja nur. Sie hat dich verlassen, das heißt nicht, dass sie tot ist.« Er spuckt. »So weit ich mich entsinne, kann diese kleine Stute auf sich allein aufpassen.«
    In seinem Lärm höre ich die Erinnerung daran, wie er damals auf der Straße am Fluss einen Stromschlag von ihr versetzt bekam. Eigentlich sollte mich das freuen, aber das tut es nicht, denn ich sehe sie mitten in seinem Lärm, wie sie dasteht und ihn außer Gefecht setzt. Sie steht da und auch wieder nicht.
    (Wohin ist sie gegangen?)
    (Wohin, verdammt, ist sie gegangen?)
    Von Bürgermeister Ledger weiß ich, dass sich die Armee gleich nach dem Bombenanschlag auf den Turm auf den Weg zum Meer gemacht hat. Er hatte einen Tipp bekommen, dass sich die Antwort dort verstecken würde.
    (War ich derjenige? Hat er es in meinem Lärm gehört? Mir wird ganz heiß bei dem Gedanken.)
    Aber als Mr Hammar und seine Leute dort ankamen, haben sie nichts gefunden, nur längst verlassene Häuser und halb versunkene, morsche Boote.
    Denn der Tipp war falsch gewesen.
    Auch bei diesem Gedanken wird mir heiß.
    (Hat sie mich angelogen?)
    (War es Absicht?)
    »Himmel noch mal, Schweinebacke.« Davy spuckt wieder aus. »Es ist ja nicht so, als ob irgendjemand hier eine Freundin hätte. Die Weiber sitzen doch jetzt alle in diesem verdammten Gefängnis oder schmeißen jede Woche neue Bomben oder laufen in so großen Gruppen herum, dass man sie nicht einmal ansprechen kann.«
    »Sie ist nicht meine Freundin«, widerspreche ich.
    »Darauf kommt’s nicht an«, erwidert er. »Ich will damit nur sagen, dass wir anderen genauso allein sind wie du, also vergiss sie.«
    Plötzlich stelle ich fest, dass sich ein bedrohlich starkes Gefühl in seinen Lärm eingeschlichen hat, aber er wischt es beiseite, im selben Augenblick, in dem er bemerkt, dass ich ihn beobachte. »Was schaust du so?«
    »Nichts«, antworte ich.
    »Dann ist es ja gut.« Er steht auf, nimmt sein Gewehr und stapft aufs Feld zurück.
    Irgendwie treibt sich 1017 immer in meiner Gruppe herum. Ich arbeite im abgelegeneren Teil des Geländes, stelle die Gräben für die Fundamente fertig. Davy ist im vorderen Teil, er lässt die Spackle die vorgefertigten Stützmauern zusammenbauen, die wir aufstellen werden, wenn die Fundamente ausgegossen sind. 1017 soll dabei helfen, aber jedes Mal wenn ich hochschaue, ist er wieder da, ganz in meiner Nähe, egal, wie oft ich ihn wieder zurückschicke.
    Zugegeben, er arbeitet, er hebt die Erde mit den Händen aus, häuft den Boden

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