Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
tastet.
Blackmore schreit, reißt an seinen Fesseln. Sie geben nach.
Er hat es geschafft. Die Hände sind frei.
Er denkt an seinen Sohn in Chicago.
Dann fällt der Schuss.
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78. Es war still im Schankraum des Schlosshotels
Es war still im Schankraum des Schlosshotels.
Nach einer Weile sagte Albert Roth mit brüchiger Stimme:
»Ich hämmerte gegen die Tür wie von Sinnen. Dann rannte ich zurück und wollte einem der Volkssturmmänner das Gewehr aus der Hand reißen. In diesem Moment knallte ein Schuss. Aus dem Spritzenhaus. Und nach einer schrecklichen Pause ein zweiter.«
Er sah Dengler an: »Die Tür sprang wieder auf. Sternberg stürmt heraus, seinen Sohn an der Hand. Und Kurt stößt er vor sich her. Er wirft mir das Gewehr zu. Vergrabt den Neger, sofort, gleich hier. Und kein Wort zu irgendwem, sagte er noch den Männern. Dann war er weg. Mit seinem Sohn.« Der alte Mann wischte sich mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augen.
Nach einer Pause sagte er: »Dann kamen die Amerikaner und suchten ihren Kameraden. Ich wollte Sternberg anzeigen. Aber dann hatte ich eine andere Idee.«
»Sie zwangen ihn, das Schlosshotel auf den Namen Ihres Sohnes zu überschreiben«, sagte Dengler. »Ja. Für das, was er meinem Sohn angetan hat. Als Sicherheit für Sternberg gab es die Zusatzvereinbarung: Wenn ich auspacke, sind wir das Hotel wieder los.«
Dengler stand auf.
Er legte die Zusatzvereinbarung auf den Tisch und ging langsam zur Tür.
»Halt, nehmen Sie mich mit«, rief Maria Roth. Zusammen verließen sie das Schlosshotel.
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Epilog
In dieser Nacht schlief Dengler nicht. Er erzählt Olga die Geschichte einmal, zweimal, dreimal – und später wusste er nicht mehr wie oft. Sie hatte ihn in den Arm genommen und ihm zugehört.
Zwei Tage später schrieb er eine lange E-Mail an Junior Wells.
* * *
Im Spätjahr 2005 lag schon Schnee, als im Stuttgarter Gustav-Siegle-Haus ein neuer Jazz-Club eröffnete. Dengler wurde Mitglied, Olga auch, und Martin Klein wurde sogar in den Vorstand des Vereins gewählt.
Beim Eröffnungskonzert stand Junior Wells auf der Bühne. Er widmete das Konzert seinem Vater. Langenstein war im Publikum, und auch Major Hooker saß mit einigen Kameraden an einem Tisch. Dengler sah ihn zum ersten Mal in Zivil. Jakob war gekommen, Mario war da und Leopold Harder, und alle saßen zusammen mit Olga und Georg an einem Tisch direkt vor der Bühne.
Nach seinem Auftritt kam Junior aus der Garderobe und umarmte Georg Dengler lange.
»Ich danke dir für alles.«
Dann trat der kleine Mann einen Schritt zurück und sah Dengler augenzwinkernd an.
»Sag mal«, fragte er, »gibt es hier Jim Beam?«
Dengler lachte, und untergehakt gingen sie zur Bar.
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Finden und erfinden – ein Nachwort
Mehr als fünf Jahre ist es nun her, dass ich in der Stuttgarter Zeitung einen Artikel las, der mich sofort gefangen nahm. »Über den Toten haben alle geschwiegen – Mordermittlungen nach Skelettfund – Ist ein US-Bomberpilot von Bauern gelyncht worden?«, lauteten die Schlagzeilen. Der Journalist Wieland Schmidt schrieb über den Fund eines Skeletts, bei dem es sich um die Überreste eines amerikanischen Bomberpiloten handeln könne, der hartnäckigen Gerüchten zufolge im März 1945 von einheimischen Bauern erschlagen wurde. Seit Jahrzehnten würden in Bruchsal hinter vorgehaltener Hand über diesen Mord Gerüchte verbreitet, aber alle Zeugen und Mitwisser schwiegen bis zum heutigen Tag.
Mich erfasste eine gewisse fiebrige Neugier, die mich jedes Mal packt, wenn ich glaube, einer spannenden Geschichte auf die Spur zu kommen.
Die Quellen dazu waren dünn und sind es heute immer noch. Über 44 000 US-Soldaten werden in ganz Europa immer noch vermisst. Ich schätze, dass die Zahl der gelynchten alliierten Soldaten bei über 1000 liegt. Es ist ein bisher wenig untersuchter Komplex des 2. Weltkrieges. Soweit ich weiß, gibt es bis heute dazu keine überregionale Studie. Mittlerweile ist jedoch die Website http://www. flieger-lynchmorde.de/ entstanden, die die bekannt gewordenen Fälle sammelt.
Die Behandlung von Kriegsgefangenen ist in der Genfer Konvention eindeutig geregelt. Deutschland hat sie 1934 (!) ratifiziert. Artikel 2 lautet:
»Die Kriegsgefangenen unterstehen der Gewalt der feindlichen Macht, aber nicht der Gewalt der Personen oder Truppenteile, die sie gefangen genommen haben. Sie müssen jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden und insbesondere gegen
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