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Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Titel: Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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mit den Federn, die ihr vom Kopf abstanden und die sich im gleichen Takt bewegten wie sie, wenn sie ging oder wenn sie tanzte. Mein Gott, rosa Federn, jeder sah sich nach ihr um.
    Wenn ihnen nach Blues zumute war, besuchten sie die Pepper's Lounge, dort spielten die Verrückten aus dem Süden, droschen auf ihre Gitarren ein und sangen von Heimweh und all den Sachen. Gott ja, sie alle waren aus dem Süden geflohen und hatten doch Heimweh danach. Wenn es dort unten im Delta keine Weißen geben würde, es wäre eine prima Gegend. Aber so? So zogen die Schwarzen nach Norden, nach Detroit oder eben nach Chicago. Hier ließen einen die Weißen in Ruhe und knüpften einen nicht grundlos auf. Hier brauchten sie wenigstens einen Gerichtsbeschluss.
    Steven Blackmore bückte sich und hob ein Blechteil auf. Es stammte vom Heckleitwerk seiner Maschine. Vorsichtig ging er weiter. Er fand den Verschluss eines seiner Bord-MGs, und dort lagen einige Patronen auf dem Waldboden. Er schlich weiter den Berg hinauf. Von der Anhöhe konnte er über das Tal sehen, immer noch stiegen Flammen und schwere schwarze Wolken aus dem Zielgebiet.
    Blackmores Onkel John stammte aus dem Delta wie die ganze verdammte riesige Familie. Er war der älteste von sechs Brüdern seines Großvaters. Onkel John hatte bereits im Ersten Weltkrieg gegen die Deutschen gekämpft. Blackmore erinnerte sich noch, dass er sie nach Kriegsende besucht hatte. In Uniform, die Brust mit Orden behängt, sah er aus wie ein Weihnachtsbaum. Alle in der Familie waren stolz. Sie führten ihn herum, die Nachbarschaft kam, es wurde gekocht, getrunken und getanzt. Onkel John war der Hit. Wenn einer von uns so dekoriert aus dem Krieg zurückkommt, so gab das den anderen Hoffnung. Hoffnung, dass die Schwarzen endlich leben könnten wie Menschen, ihre Kinder erziehen könnten wie Menschen, essen könnten wie Menschen, Schulen haben könnten wie Menschen, Arbeit finden würden wie Menschen und sterben könnten wie Menschen. Zumindest das Letztere war Onkel John nicht vergönnt gewesen. In Clarksdale, wo er mit seiner Frau wohnte, passten ihn die Weißen ab und knüpften ihn an eine stabile Pappel. In Uniform und mit allen seinen Orden.
    Für Steven Blackmores Vater gab der Mord an seinem Bruder den letzten Grund, den Süden zu verlassen. Er verkaufte sein Holzhaus viel zu billig an einen der schwarzen Fuselhändler. In Chicago wohnten sie zunächst bei Verwandten in einer Seitenstraße der Maxwell Street, bevor sie nur drei Blocks entfernt eine eigene Wohnung fanden.
    Sein Vater wurde Lastkraftwagenfahrer bei der Minnesota Steel Company. Er fuhr die riesigen Stahlträger von Chicago aus in alle Städte Amerikas. Nur nach Mississippi fuhr er nie wieder.
    Seine Mutter lehrte Steven die Liebe zur Literatur. Sie brachte ihm das Lesen bei, ehe er zur Schule kam. Und sie war sehr stolz gewesen, als er sich auf der University of Chicago einschrieb: Studium der amerikanischen Literatur. Sein Vater wusste mit seiner Leidenschaft wenig anzufangen. Doch beide hatten ihre beste Kleidung angezogen, als er die Aufnahmeprüfung zur Ausbildung in Tuskegee bestand. 98 von 100 möglichen Punkten. Ihr Sohn würde Pilot werden und als Pilot seinem Land dienen. Sie reisten nach Tuskegee, als er die Pilotenprüfung bestanden hatte und zum Leutnant befördert wurde. Es geht doch voran mit unserem Volk, hatte sein Vater ihm zugeflüstert, und du bist ganz vorne mit dabei.
    Als Nächstes fand Steven Blackmore ein Stück des Propellers. Er war genauso bizarr verformt, wie er ihn zuletzt noch in der Luft gesehen hatte. Der Propeller hatte die Stämme zweier kleiner Fichten durchtrennt und sich dann tief in den moosbewachsenen Boden gerammt.
    Blackmore stand still und lauschte, doch er hörte nur den Gesang eines Pirols. Vorsichtig stieg er weiter den Berg hinauf.
    Blackmore war in der ersten Ausbildungsstaffel von Tuskegee. Die besten schwarzen Collegeabsolventen wurden 1941 in den kleinen Ort in Alabama einberufen. In Chicago besaß er noch das Bahnticket erster Klasse, aber kaum hatte der Zug die Grenze nach Alabama überquert, schmissen ihn weiße Schaffner aus dem Waggon. Er musste sich auf die Holzbänke des Wagens direkt hinter der Lok zwängen, dort, wo den schwarzen Passagieren die Funken und der Kohlenstaub um die Ohren flog.
    Blackmore wusste genau, dass das Tuskegee-Projekt innerhalb der Luftwaffenführung umstritten war. Viele, wenn nicht die meisten der weißen Offiziere dachten, dass Schwarze nicht

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