Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
Speisekarte zur Seite.
Die junge Frau kam an ihren Tisch. Dengler und Sternberg bestellten jeder eine Scheibe Spießbraten mit Rettichsalat und eine Portion Bratkartoffeln sowie eine Flasche Mineralwasser. Sie nahm die Bestellung auf, und nichts in ihrem Gesicht ließ erkennen, dass sie Georg Dengler wiedererkannte.
Dengler berichtete Sternberg von seinem ersten Besuch im Schlosshotel. Sternberg hörte aufmerksam zu und schüttelte am Ende von Denglers Bericht den Kopf.
»Ich verstehe nicht, warum mein Großvater so ein Geheimnis um diesen Verkauf oder diese Schenkung gemacht hat.«
»Vielleicht hat er ein nichteheliches Kind in diese Familie gebracht«, sagte Dengler.
Sternberg schien nachzudenken.
»Vielleicht«, sagte er, »aber – er hätte mit uns darüber reden können. Später. Als Ilona und ich erwachsen waren.«
Er sah zu der jungen Frau hinüber, die am Nachbartisch ein Tablett mit vier Portionen Spießbraten abstellte.
»Das wäre dann meine Stiefschwester«, sagte er. »Respekt, lieber Großvater.«
Dengler sah verstohlen zu Kurt Roth hin, der einen Braten samt Spieß vom Feuer genommen hatte und hinüber zu einem Tisch neben der Theke trug. Mit einer riesigen Gabel zog er das Fleisch herunter, und mit einem großen Messer schnitt er einzelne Scheiben des Spießbratens ab und legte sie auf bereitstehende Teller. Dengler war sich sicher, dass der Mann sie dabei ständig beobachtete.
Seine Tochter brachte ihnen zwei Portionen. Dengler konnte sich nicht erinnern, jemals so wohlschmeckendes Fleisch gegessen zu haben.
Sternberg schnitt sich ein großes Stück ab.
»Esse sonst wenig Fleisch«, sagte er, »aber das hier ...«, er deutete auf seinen Teller, »das ist wirklich klasse.«
Nach einer Weile leerte sich das Restaurant. Nur noch wenige Gäste saßen auf den Stühlen, einige tranken Kaffee, zwei Männer rauchten.
Dengler beobachtete Kurt Roth. Der Mann hinter der Theke ließ sie nicht aus den Augen.
Sternberg saß neben ihm, vollständig auf den Spießbraten konzentriert. Als die junge Frau den Nebentisch abräumte, winkte er sie heran und bat sie um einen weiteren Teller Rettichsalat.
Später bestellte Dengler zwei Tassen Kaffee. Nachdem die junge Frau ihnen die Tassen gebracht hatte, bat Sternberg sie noch einmal an den Tisch.
»Der Rettichsalat war hervorragend«, sagte er. »Verraten Sie mir, wie er zubereitet wird?«
Die Frau sah ihn einen Augenblick überrascht an. Dann setzte sie sich auf einen Stuhl.
»Es ist ganz einfach. Rettich, Sahne, Salz und Pfeffer.«
Dengler betrachtete sie. Die Tochter Kurt Roths mochte die Dreißig überschritten haben. Sie trug dunkelblaue Cordjeans und braune Boots, ein weißes T-Shirt und einen eng anliegenden rosa Pullover. Sie hatte blonde Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, der ihr bis auf die Schultern fiel. Ihre Augen waren wach und blickten Robert Sternberg skeptisch, aber dennoch freundlich an.
»Maria!«
Kurt Roths Stimme klang schneidend durch den Saal.
Die junge Frau erklärte Sternberg gerade, wie wichtig es sei, den Rettichsalat mindestens eine Stunde lang ziehen zu lassen. Sie erhob sich langsam von ihrem Stuhl und ging hinüber zur Theke, wo ihr Vater sie erwartete.
Dengler beobachtete, dass Kurt Roth unsanft ihren Oberarm ergriff und sie festhalten wollte. Doch sie riss sich frei und antwortete ihm schnell etwas, jedoch so leise, dass Dengler sie nicht verstand. In diesem Augenblick bedauerte er, dass er das Lippenlesen wieder verlernt hatte. Beim Bundeskriminalamt hatte er mehrere Lippenlese-Kurse besucht, sie gehörten zu seiner Ausbildung als Zielfahnder. Doch mit dieser Kunst war es wie mit jeder Fremdsprache: Wenn sie nicht geübt wird, wird sie vergessen. In einer seiner nicht ausgepackten Umzugskisten mussten sich noch die Videobänder befinden, mit denen er damals geübt hatte. Er nahm sich vor, die Bänder zu suchen und erneut zu üben.
Sternberg hatte seinen Kaffee ausgetrunken.
Er suchte Blickkontakt zu der jungen Frau und rief: »Zahlen, bitte!«
Sie wollte gerade losgehen, doch ihr Vater hielt sie mit einer Handbewegung zurück.
Kurt Roth kam selbst an ihren Tisch.
Er setzte sich auf den freien Stuhl, auf dem seine Tochter gesessen hatte.
»Sie wollen zahlen?«
Sternberg nickte und bedeutete Dengler, dass er die Rechnung übernehmen wolle.
Kurt Roth zog einen kleinen Block aus der Tasche, notierte einige Zahlen und addierte sie.
»28 Euro 50«, sagte er. Sternberg legte 32 Euro
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