Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere

um Inigos Gesicht. Plötzlich wurde Inigos Exosicht von Warnsymbolen überschwemmt, während sein Kraftfeld mattviolett zu glühen begann. »Für Ihre Memorycell auch«, sagte Aaron. »Nichts von Ihnen darf überleben und dem Feind in die Hände fallen, vor allem nicht ihr.«
    »Nun hören Sie mir mal gut zu«, sagte Inigo und versuchte, Ruhe zu bewahren. Gewalt half in diesem Fall nicht weiter, er musste Aarons Neurosen aufknacken. »Dies ist Ozzies Traum, dafür braucht es kein Gaiafield mehr. Er hat die Empfindungen durch die Raumzeit selbst expediert.«
    »Das hier ist ein Angriff«, beharrte Aaron.
    »Ist es nicht. Dafür leg' ich meine Hand ins Feuer. Er ist ein Genie, ein wahres, alle Skalen sprengendes leibhaftiges Genie. Das Gaiafield war bloß ein Warm-up für ihn. Begreifen Sie denn nicht? Er hat wirkliche Telepathie erschaffen! Ozzie hat etwas ausgetüftelt, das es ermöglicht, direkt von Bewusstsein zu Bewusstsein zu kommunizieren, so wie er es sich immer gewünscht hat. Es ist inhärent, verstehen Sie? Ihre Instabilität kommt von innen.«
    »Nein.« Nach Luft japsend fiel Aaron auf die Knie und riss Inigo mit sich.
    »Und Sie allein sind der Grund für das Scheitern der Mission. Ihr eigenes Unterbewusstsein ist schuld an der Misere.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Machen Sie, dass es aufhört. Sie darf mich nicht kriegen. Das darf ich nicht zulassen. Nicht noch einmal.«
    »Hier ist niemand«, sagte Inigo. »Sie ist nur eine Erinnerung, eine verschissene Erinnerung, von der Sie nicht wissen, wie Sie sie in Schach halten sollen, so viel Angst und Entsetzen sind mit diesem Erlebnis verbunden.«
    Plötzlich ließ Aaron Inigo los, taumelte herum und starrte in martialischer Pose auf die zerschmetterte Tür. »Sie ist da.«
    »Aaron, hören Sie mir zu! Ozzies Traum erschüttert Ihr rationales Denken, weil er nie dazu gedacht war, mit Situationen wie dieser fertigzuwerden. Sie müssen loslassen, ihr wirkliches Ich von den Zwängen befreien, die Ihr Boss Ihnen auferlegt hat. Sie müssen hervortreten. Diese künstliche Persönlichkeit packt das alles nicht mehr.«
    »Nicht gut genug?«
    »Ihr wahres Ich ist mehr als fähig. Kommen Sie raus. Los doch, das ist die einzige Möglichkeit, diesen Wahnsinn zu besiegen.«
    »Schadensbegrenzung ...« Langsam sackte Aaron erneut in die Knie, dann krümmte sich sein Rücken, und er senkte den Kopf zwischen die Beine. Seine Atmung begann, sich zu beruhigen. Die gespenstischen Trugbilder rund um die Kabinenperipherie fingen an zu zerrinnen.
    Beklommen sahen Corrie-Lyn und Inigo sich an. »Meinst du ...?«, fragte Corrie-Lyn.
    »Das weiß die Herrin allein«, raunte er zurück.
    Sie standen auf. Hastig schlüpfte Corrie-Lyn in ihr Wollkleid, dann näherten sich beide vorsichtig der am Boden kauernden Gestalt. Zögernd streckte Inigo eine Hand aus, hatte jedoch nicht den Mut, Aaron zu berühren. Unwillkürlich fragte er sich, ob das Traumfeld - oder was auch immer - die Angst wohl verstärkte. Aber es schien, als wäre es intelligent genug. Sicher würde ein emotionaler Verstärker auch das Mitgefühl entsprechend erhöhen. Vielleicht war das ja die Art und Weise, wie es funktionierte, indem es sämtliche Gefühle in gleichem Maße anhob, sodass dieselbe Balance gewahrt blieb wie zuvor - keine Veränderung der Persönlichkeit also, sondern nur eine Steigerung des Empfindens oder der Empathie.
    In dem Moment hob Aaron den Kopf, und seine Biononics führten einen vollständigen Feldscan des Raumschiffs durch. Dann erhob er sich und sah Inigo und Corrie-Lyn an. Seine Waffenenrichments versanken wieder in seiner Hand; wie eine sich leicht kräuselnde Wasserfläche schloss sich die Haut über ihnen.
    »Hallo?«, sagte Corrie-Lyn hoffnungsvoll. »Aaron, sind Sie das jetzt wirklich?«
    Inigo war sich da nicht so sicher. Nicht die geringste Spur von Emotionen ging von dem Mann aus. Genau genommen ...
    »Ich bin Aaron«, sagte er.
    »Na, Gott sei Dank«, erwiderte Corrie-Lyn mit vorsichtigem Optimismus. »Sind die Beeinträchtigungen
    weg?«
    »In meinem Kopf liegen keine Beeinträchtigungen vor. Meine Gedankenroutinen wurden auf minimal erforderliche Funktionsfähigkeit reduziert. Diese Mission wird nun in die Abschlussphase treten. Ankunft am Spike in achtzehn Stunden. Inigo wird mich zu Oswald Fernandez Isaacs begleiten. Anschließend werden Sie beide weitere Instruktionen erhalten.« Sprach's und drehte sich um und verschwand hinaus durch die Tür.
    Corrie-Lyn war völlig perplex.