Das dunkle Universum 1 - Traeumende Leere

schutzlose Klima des Planeten und seine Biosphäre wochenlang einer Flut von lebenszerstörender Strahlung ausgesetzt hatten. Die hundertfünfzig Millionen starke Bevölkerung war unter Stadtkraftfeldern auf einer sterbenden Welt gefangen gewesen, auf der selbst die Luft tödlich verseucht war. Evakuierung war die einzige Option gewesen. Und dank Nigel Sheldon und des CTS-Unternehmens, das Hankos Wurmlochverbindung betrieb, waren Hankos Bewohner über zweiundvierzig Lichtjahre hinweg nach Anagaska verbracht worden.
    Unglücklicherweise bestand Anagaska zu dieser Zeit aus kaum mehr als wild wucherndem Wald, unberührter Prärie und lebensfeindlichem Dschungel; gerade einmal fünf im Vorfeld einer geplanten Besiedlung errichtete Forschungsstationen boten einigen wenigen Hundert Wissenschaftlern Platz. Doch Nigel hatte selbst für dieses Problem eine Lösung gehabt. Das Innere der Wurmlöcher, die Hankos Bevölkerung zu ihrer neuen Heimat transportierten, wurde auf eine unterschiedliche, in Relation zu dem äußeren Universum extrem langsame Temporalflussgeschwindigkeit gesetzt. Nachdem der Krieg inzwischen beendet war, flossen in die Schaffung einer Infrastruktur auf Anagaska und den anderen sechsundvierzig Fluchtplaneten Billionen von Dollar. Es war mehr als ein Jahrhundert erforderlich gewesen, um die notwendigsten öffentlichen Einrichtungen und Wohnmöglichkeiten zu schaffen und Städte und Ortschaften aus dem Boden zu stampfen, die von ihrer Anlage und Architektur her beinahe stalinistisch anmuteten. Doch als sich das Wurmloch von Hanko schließlich auf Anagaska öffnete, hatte jeder, der hinaustrat, zumindest ein Dach über dem Kopf und ausreichend zu essen, während sich alle mit vereinten Kräften daranmachten, die Landwirtschaft und Industrie ihrer neuen Heimat aufzubauen.
    Vielleicht war es unvermeidlich, dass die Fluchtplaneten sich nach einem solchen Trauma wirtschaftlich nur sehr zögerlich entwickelten. In einer Zeit, in der sich überall im Commonwealth tiefgreifende Veränderungen vollzogen, kamen ihre Hauptstädte nur schleppend voran. Und was die entlegenen Ortschaften betraf, so wurden diese zu fast im Stillstand verharrenden, rückständigen Nestern. Niemand musste darben, niemand war nachgerade arm. Aber es fehlte ihnen an dem Tatendrang, der den Rest der Menschheit erfasste, als Biononics verfügbar wurden, ANA online ging und neue politische und kulturelle Blöcke sich bildeten.
    Kuhmo war so eine rückständige Stadt. Nur wenig hatte sich dort zwischen dem Tag, an dem ihre neuen Bewohner aus den gigantischen Regierungstransporten herausgestolpert waren und der Ära, in der Inigo das Licht der Welt erblickt hatte, geändert. Als Inigo ein Kind gewesen war, hatte noch die massige, hexagonale Arkologie das Zentrum der Stadtzone dominiert, die errichtet worden war, um seine Vorfahren zu beherbergen. Aber die unbewohnten oberen Level waren da schon in alarmierender Weise verfallen, während die unteren Ebenen unterprivilegierten Familien und drittklassigen Geschäften billige Unterkunft boten. Tatsächlich existierte die Arkologie noch sechzig Jahre nachdem Inigo Kuhmo den Rücken gekehrt hatte; ein monströser städtebaulicher Schandfleck, für den kein Geld zur Sanierung oder zum Abriss vorhanden war.
    Ein Jahrhundert später schließlich war das obere Drittel der Arkologie mit Geldern, die Anagaskas Föderalregierung zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit zur Verfügung gestellt hatte, zerlegt und abmontiert worden. Dann hatte Living Dream dem Gemeinderat ein Angebot unterbreitet, das dieser unmöglich ablehnen konnte. Schlussendlich wurde die Arkologie ganz niedergerissen und ihre Bewohner in vornehmen, modernen und eigens zu diesem Zweck angelegten Vororten untergebracht. Dort, wo das Monstrum einst gestanden hatte, tauchten schon bald die ersten Fundamente eines neuen Gebäudekomplexes auf, nicht annähernd so groß, aber dafür umso bedeutender. Living Dream hatte mit dem Bau dessen begonnen, was zu Anagaskas Haupttempel werden sollte, mit großer Bibliothek und einer angeschlossenen freien Akademie. Das geheiligte Zentrum wirkte wie ein Magnet auf die Frommen des Planeten und einer erklecklichen Anzahl nahe gelegener Sternensysteme dazu. Viele Besucher blieben und veränderten den Charakter von Kuhmo für immer.
    Aaron stand unter den hohen Novikbäumen, die den Park um den Tempel beherrschten, und schaute hinauf zu den spitz zulaufenden Türmchen mit ihren prunkvollen Umkränzungen aus