Das dunkle Universum 1 - Traeumende Leere
erkennen. Eine dünne Schicht aus schmutzigem Rauch trieb träge über den Ruinen.
Als der Adler tiefer herabstieß, konnte Edeard die Leichen erkennen. Verkohlte Fetzen flatterten schlaff an schwarz gewordenem Fleisch. Noch schlimmer waren die Dinge, die aus dem Schutt herausragten. Eine Bewegung erregte plötzlich die Aufmerksamkeit des Adlers, und er schwenkte geschickt auf einer Flügelspitze herum.
Der alte Fromal saß neben den Ruinen seines Hauses, den Kopf in den Händen, sich vor und zurück wiegend, sein rußverdrecktes runzliges Gesicht von Tränen verschmiert. Ein kleiner nackter Junge rannte wieder und wieder um die zerstörten Marktstände herum. Er war verletzt und blutete stark, das Gesicht zu einer wilden Grimasse der Entschlossenheit verzerrt, mit Augen, die offenbar blind geworden waren für die physische Welt.
»Sie sind weg«, sagte Edeard. »Machen wir, dass wir hier rauskommen.« Er ließ die verhasste Waffe fallen und schob die Platte zur Seite.
Das Schlimmste von allem war der Gestank; der widerwärtige Geruch der rauchenden Holzüberreste, gesättigt mit dem nach verbranntem Fleisch. Edeard musste sich fast übergeben. Es waren nicht nur Genistars und Haustiere, die da geröstet worden waren. Er riss einen Streifen Stoff aus seinen zerschlissenen Hosen, befeuchtete ihn in einer Pfütze und band ihn sich vors Gesicht.
Sie brachten den rennenden Jungen zum Stehen, dessen Schock zu tief saß, um ihn mit Vernunft zu erreichen. Sie führten den alten Fromal fort von den heißen, glimmenden Kohlen, die hundertundzwanzig Jahre lang sein Zuhause gewesen waren. Sie entdeckten den kleinen Sagat, in eines der umgeworfenen Fässer neben dem arbeitenden Brunnen gekauert.
Sieben waren es, die sie und der Adler fanden. Sieben Überlebende eines Dorfes, das einst über vierhundert Seelen gezählt hatte.
Sie versammelten sich draußen gleich vor den zerbrochenen Toren, im Schatten der nutzlos gewordenen Befestigungsmauern, wo der Gestank nach Kadavern nicht ganz so schlimm war. Nach einer Weile ging Edeard noch einmal zurück, versuchte, ein paar Kleider und etwas Essbares aufzutreiben, obwohl sein Herz nicht einen Moment bei der Sache war.
So traf sie kurz vor Einbruch der Dämmerung das Schutzaufgebot des Dorfes Thorpe-By-Water an. Über einhundert Männer auf Pferden und Ge-Pferden, gut bewaffnet und mit Ge-Wölfen, die neben ihnen hertrotteten. Weder konnten sie den Anblick, der sie erwartete, fassen, noch wollten sie akzeptieren, dass es organisierte Banditen gewesen waren, die ihn zu verantworten hatten. Statt die Verfolgung aufzunehmen und die Mörder der Gerechtigkeit zuzuführen, drehten sie um und ritten schnurstracks wieder heim nach Thorpe-By-Water, für den Fall, dass ihren eigenen Angehörigen Gefahr drohen sollte. Die Überlebenden nahmen sie mit. Keiner von ihnen kehrte jemals zurück.
Edeard benutzte seinen Longtalk, um Salrana die Neuigkeit mitzuteilen: »Die Karawane ist da.«
»Wo?«, gab sie zurück. »Ich kann sie nicht spüren.«
»Sie sind gerade bei Molbys Hof angekommen, in ungefähr einer Stunde sollten sie an der Dorfbrücke sein.«
»Das ist zum Fernblicken eine ganz schöne Strecke, sogar für dich.«
»Der Ge-Adler hilft mir ein bisschen«, gab er zu.
»Mogler!«
Edeard lachte. »Wir treffen uns in einer halben Stunde auf dem Platz.«
»In Ordnung.«
Er beendete die Instruierung der Ge-Schimpansengruppe, die die Ställe ausmisten sollten, und entschuldigte sich bei Tonri, dem Senior-Lehrling des Guts. Alles, was er für seine Höflichkeit zurückbekam, war ein desinteressiertes Grunzen. Thorpe-By-Waters Eiformergilde hatte ihn nicht eben mit offenen Armen empfangen. Sein faktischer Status war nach wie vor eine große, offene Frage. Bis jetzt hatte ihn der neue Meister noch nicht mal zum Gesellen gemacht. Edeards Antrag, ihn als solchen anzuerkennen, hatte unter den anderen Lehrlingen einiges Murren ausgelöst, da sie fanden, er müsse der Junior sein. Dass sein Talent so offensichtlich größer war als das ihre, ja, sogar als das ihres Meisters, änderte für sie nichts an der Situation.
Dagegen war Salrana von Thorpe-By-Waters Mutter in der Kirche der Herrin weitaus bereitwilliger aufgenommen worden. Doch auch sie war hier nicht glücklich. »Dies wird niemals unser Zuhause sein«, hatte sie nach der ersten Woche traurig zu Edeard gesagt. Es war zwar nicht so, dass die Bürger von Thorpe-By-Water die Flüchtlinge von Ashwell mieden, aber sie trugen auch
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