Das dunkle Universum 2 - Schwarze Welt
gerade.
»Sie hat ihm eins mit ihrem Schirm übergebraten«, fügte Kanseen trocken hinzu.
Dybal und Bijulee lachten.
»Die alte Hexe hat versucht, Edeard bei den Konstablern rauswerfen zu lassen«, sagte Salrana mit heißen Wangen. »Bei der Feier heute hat sie zu dem Bürgermeister gesagt, er solle ihm seine Epauletten wieder wegnehmen.«
»Mal wieder typisch«, meinte Dybal. »Keine Sorge, Edeard; sie hat keine wirkliche Macht, nicht mehr. Sie ist nur noch die Galionsfigur für die adeligen Familien, mehr nicht. Die tun gern so, als wäre sie die über alles geliebte Großmutter der ganzen Stadt. Totaler Schwachsinn, natürlich. In jungen Jahren war sie ein intrigantes kleines Luder. Allerdings ist das für uns alle inzwischen Geschichte. Aber sie hatte vor ihrem fünfzigsten Geburtstag drei Ehemänner verschlissen, allesamt Distriktmeister-Söhne, was selbst für unsere Tage noch als ziemlich unerhört gelten darf. Jedem von ihnen schenkte sie zwei Söhne – und manche behaupten, dass Hexerei dabei im Spiel gewesen ist. Und wie der Zufall es so wollte, haben alle drei Zweitgeborenen die adeligen Töchter von Familien geheiratet, in denen die männliche Linie zugunsten der Mädchen ins Stocken geraten war. Eine Generation später hatte sie ihre Brut bereits über elf Distriktmeister-Familien verteilt. Mit einem solchen Machtblock im Obersten Rat kontrollierte sie für Jahrzehnte die Wahlen. Unser letztes sogenannte Goldene Zeitalter, in dem man den Aufstieg der Miliz zu Lasten aller anderen Regierungsorgane vorzog. Weißt du, diese Frau glaubt allen Ernstes, dass es zwischen dem Adel und jenen, die nicht über deren obszönen Wohlstand verfügen, einen physischen Unterschied gäbe. Mit anderen Worten, ihre Nachkommenschaft wurde geboren, um zu herrschen und dem unzivilisierten Pöbel, also Leuten wie dir und mir, Recht und Ordnung zu bringen. Unnötig zu erwähnen, dass sie der Meinung ist, unsereins sollte nichts mit der Regierung der Stadt zu tun haben. So etwas bleibt am besten denen überlassen, welche die Vorsehung mit gutem Blut gesegnet hat.«
»Kein Wunder, dass sie dich nicht mag, Edeard«, grinste Macsen. »Du bist nicht mal in der Stadt geboren. Wahrscheinlich hat sie förmlich gerochen, dass du vom Land bist.«
»Aber nicht jeder im Obersten Rat glaubt das, oder?«, fragte Edeard und dachte dabei an Finitan. Ein Neffe, hatte der Großmeister gesagt.
»Ich hoffe, nicht. Es gibt nach wie vor ein paar anständige Adlige dieser Tage. Zudem werden natürlich die Sitze der Distriktmeister im Obersten Rat von den Gildenmeistern kontrolliert. Und der Untere Rat selbst wird immer noch direkt gewählt; nicht, dass man das in einigen Distrikten nicht mehr wüsste. Das sorgt im Großen Rat für so manche heiße Debatte. Rah wusste schon, was er tat, als er unsere Verfassung ausarbeitete.«
»Aber Eure Lieder sind immer noch populär.«
»Das stimmt«, sagte Dybal. »Unzufriedenheit mit den Herrschenden kommt bei der Masse noch immer gut an; eine fixe Idee, welche die Menschen auf ihren Schiffen, die vom Himmel gefallen sind, mit nach Querencia gebracht haben. Uns als Spezies fällt das so leicht wie das Atmen. Und daran konnten auch alte Männer wie ich, die sich in Erinnerungen darüber ergehen, wie viel besser doch alles in unserer verlorenen Jugendzeit war, noch nie etwas ändern.«
»Du bist ein Aufwiegler, meinst du wohl«, sagte Bijulee zärtlich, während sie ihm mit der Hand durch die struppigen Haarzöpfe fuhr.
»Und stolz darauf.« Erneut erhob Dybal sein Glas. »Auf dass wir unseren Herren das Leben zur Hölle machen.«
Darauf stieß der ganze Tisch an.
»Also, was ist das für eine Geschichte mit dir und Salrana?«, fragte Kanseen. Es war spät am Abend. Das Festessen hatte den ganzen Nachmittag über gedauert. Wenn es nach Edeard gegangen wäre, hätte es niemals geendet. Er war völlig gelöst, dank dieses wunderbaren Weins voller Bläschen, der Gesellschaft von Freunden, dem köstlichen Essen und der fröhlichen, geistreichen Konversation. Nein, heute war ein Tag, der, wenn die Herrin gütig war, immer weiter fortdauern und fortdauern sollte.
Doch so wie alles im Leben, ging auch dieser Abend schließlich zuende, tranken sie die letzte Flasche Wein, aßen den letzten Bissen Käse und sagten einander Lebwohl. Dybal erschrak theatralisch, als die Rechnung gebracht wurde. Draußen war die Sonne bereits untergegangen und hatte es dem kalten, orangefarbenen Eigenlicht der Stadt
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