Das dunkle Universum 2 - Schwarze Welt
Körper an deinem zu spüren wünschst.«
»Ich … Nein, das ist doch einfach nur albern. Du wirfst mir vor, dass ich … ich weiß nicht: Träume habe. Diese Welt ist voller Gelegenheiten. Manche ergreifen wir, an anderen gehen wir vorbei. Nicht ich bin es, der vor dem, was sein könnte, Angst hat. Du solltest dir erst einmal deiner eigenen Gefühle klarwerden.«
Sie standen jetzt ein Stück weit auseinander, die Stimmen zwar nicht erhoben, aber bestimmt.
»Ich kenne meine eigenen Gefühle«, sagte sie. »Und ich will, dass deine mit ihnen übereinstimmen. Das heißt: Ich kann warten. Du bist es wert zu warten, Edeard, wie lang auch immer es dauert. Du bedeutest mir so viel.«
»Eine tolle Art, mir das zu zeigen. Die mit Abstand beste«, erwiderte er und versuchte in seiner Gekränktheit nicht allzu schnippisch zu klingen. Sein Geist verhärtete sich gegenüber jeglicher Emotion, was ihm nicht leicht fiel angesichts des Tumults, den sie entfacht hatte.
»Sag’s ihr«, entgegnete Kanseen ruhig. Sie streckte die Hand aus, um ihm über die Wange zu streichen, doch er wich zurück. »Sei ehrlich zu dir selbst, Edeard. Das ist es, wie ich mir dich wünsche.«
»Gute Nacht«, sagte er förmlich.
Kanseen nickte, dann drehte sie sich um. Edeard war sicher, dass er eine Träne auf ihrer Wange gesehen hatte. Doch er weigerte sich, seine Fernsicht einzusetzen, um es zu überprüfen. Stattdessen ging er in seine eigene Wohnung und warf sich auf das viel zu hohe Bett. In seinem Verstand stritt Wut mit Enttäuschung. Er stellte sich vor, wie Salrana und Kanseen miteinander kämpften, ein Bild, das bald schon eine Eigendynamik entwickelte, die sich seiner Kontrolle entzog. Mit Wucht schlug seine Faust auf das Kissen. Er wälzte sich herum. Schickte seine wirbelnde Fernsicht hinaus über die Stadt, schaute den Wust von Seelen, die mit ihren eigenen Dämonen rangen. Es war gut, nicht der Einzige zu sein, der litt.
Er brauchte eine Weile, bis er in Schlaf fiel.
»Man munkelt, dass die Pythia ihre Verborgenheitsfähigkeiten benutzt, um ihre Runzeln und Falten zu kaschieren. Immerhin ist sie über hundertfünfzig Jahre alt; sie könnte es Mistress Florell echt schwer machen im Wettstreit um das verhutzeltste alte Weib. Es muss also irgendeine Art von Teufelei im Spiel sein, die sie so aussehen lässt, wie sie es tut.« Bei diesem letzten Satz neigte Boyd bedeutungsschwanger den Kopf.
»So was kann man?«, fragte Edeard verblüfft.
»Keine Ahnung.« Boyd senkte die Stimme. »Es heißt, die Großmeister könnten sich vollständig verbergen, sodass man sie überhaupt nicht mehr wahrnehmen kann. Ich selbst hab so was allerdings noch nie gesehen.«
Edeard zögerte einen Moment und überlegte, ob er auf den kleinen logischen Fehler hinweisen sollte, der diesem Eingeständnis zugrunde lag. »Aha.«
Sie befanden sich auf Streife in Jeavons und schritten den Brotherhood Canal entlang, der den südlichen Distriktbereich säumte. Jenseits des Wassers lag Tycho, streng genommen kein eigentlicher Distrikt, sondern ein breiter Weidelandstreifen zwischen dem Kanal und der Kristallmauer. Niedrige Holzställe, die von der Miliz benutzt wurden, kauerten sich ins Gras, die einzigen Gebäude, die auf dem Gemeindeland zugelassen waren. Er konnte Stalljungen sehen, die in kurzem Galopp auf Pferden und Ge-Pferden über sandige Laufbahnen ritten, die morgendliche Übung, die sie und ihre Vorgänger seit Jahrhunderten absolvierten. Zu Seiten mehrerer Pferde preschten Ge-Wölfe dahin.
Es war ihre sechste Streife seit ihrem Abschluss. Sechs Tage, während denen er und Kanseen kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten. Sie begegneten einander äußerst höflich, aber das war auch schon alles. Er hatte das so nicht gewollt, er wollte ihr Verhältnis zumindest wieder so haben, wie es vor jenem verkorksten Abend gewesen war. Doch wie sie das bewerkstelligen sollten, wie sie diese angenehme Partnerschaft wieder herbeiführen konnten, das war ihm ein völliges Rätsel. Und zwar eines, bei dem er auf gar keinen Fall die anderen um Rat fragen würde. Er hatte den Eindruck, sie ahnten ohnehin schon, dass etwas vorgefallen war. So wie er sie kannte, würden sie schon bald die wildesten Spekulationen anstellen.
Aus irgendeinem Grund scheute er auch davor zurück, Salrana etwas zu sagen. Widerwillig musste er zugeben, dass Kanseen in diesem Punkt nicht ganz unrecht gehabt hatte. Er musste sich wirklich mal mit dieser
Weitere Kostenlose Bücher