Das dunkle Universum 2 - Schwarze Welt
war.
Und dennoch modifizierte sie jedes Mal, wenn sie sich einer Rejuvenation unterziehen musste, ein weiteres kleines bisschen ihres psychoneuralen Profils. Am Ende des drei Jahrhunderte andauernden Prozesses war sie zwar noch immer von vielen Dingen fast wie besessen, doch die Hartnäckigkeit war nun mehr das Ergebnis ihrer freien Entscheidung und weniger motiviert durch eine physisch bedingte Zwangsneurose. Einmal, vor langer Zeit, als sie versucht hatte, zugunsten eines höheren Ziels ihren Drang, einen Verbrecher festzunehmen, zu bekämpfen, hatte die dazu nötige Anstrengung ihren Körper in einen ernsten Schockzustand versetzt. Nach der Eliminierung der physiologischen Zwänge, die ihr die Foundation einst auferlegt hatte, konnte ihr Verstand nun in einer Weise aufblühen, wie es sich ihre längst verstorbenen Konstrukteure niemals hätten vorstellen können. Sie war zu dem Zweck geboren worden, gewisse Kriminelle zu jagen – die Art von Gesetzesbrechern, welche die Gesellschaft von Huxley’s Haven heimsuchen könnten; doch jetzt besaß sie die Freiheit, sich einen eigenen Überblick zu verschaffen. Und doch kratzten die Freiheiten, die sie sich nahm, niemals am Kern ihrer Identität; stets bewahrte sie sich ihr instinktives Verständnis dafür, was richtig und was falsch war. Ihre Seele war makellos rein.
Iaioud stellte ihr neues, wandlungsfähiges Ich vor eine gewaltige Zerreißprobe. Paula verstand, dass die Art und Weise, in der das Halgarth-Kollektiv die Staatsverfassung angelegt hatte, falsch war, da man auf ihrer Basis eine ganze Bevölkerung unterdrückte. Tatsächlich hätte sie es wahrscheinlich sogar schon früher erkannt, wäre Iaiouds rigide Gesellschaft nicht dem Wesen nach der von Huxley’s Haven beunruhigend nahe gewesen. Doch nach einer Weile hatte sie befunden, dass der Unterschied simpel genug war: Auf Iaioud wurden die Leute von einem brutalen autoritären Regime, das die Medizintechnik des Commonwealth missbräuchlich einsetzte, auf Linie gehalten. Auf Huxley’s Haven dagegen kamen Einengungen und Konformismus von innen. Möglicherweise war es ein Verbrechen gewesen – damals, zurzeit der Gründung –, als die Human Structure Foundation angefangen hatte, eine ganze Bevölkerung zu gebären, deren DNA nach ihrem großen Plan verändert war. Vielleicht hatten die alten liberalen Gruppen ja doch recht gehabt – ein Gedanke, der den Radikalen, die sie als Kind geraubt hatten, letzten Endes sicherlich gefallen hätte. Aber wie groß die Sünde, die in den Anfangstagen dieser Welt begangen worden sein mochte, auch war, die Zwänge, die den Bewohnern von Huxley’s Haven auferlegt wurden, waren innerliche. Seine Menschen konnten nun nicht mehr geändert werden, ohne dabei das zu zerstören, was sie waren; bei weitem das größere Verbrechen.
So redete sie sich damals jedenfalls ein. Heute schrieb sie es nur mehr ab als eine philosophische Behauptung. Interessant, und doch weit entfernt vom richtigen Leben. Das Commonwealth hatte genug echte Probleme, um sie vollauf beschäftigt zu halten. Obwohl selbst sie zugeben musste, dass die ganze Pilgerschaftssache ein paar besondere Komplikationen mit sich brachte.
Da war zunächst einmal der Umstand, dass sie nicht entscheiden konnte, ob Living Dream das Recht besaß, sich auf Pilgerfahrt zu begeben und damit möglicherweise fatale Konsequenzen auszulösen. Das Dilemma ergab sich aus dem völligen Fehlen jeglichen empirischen Beweises, dass die Leere sich tatsächlich den Rest der Galaxis einverleiben würde. Insofern musste sie zugeben, dass die Skepsis vieler Pro-Pilgerfahrtsfraktionen und -kommentatoren durchaus angebracht war. Die Annahme, dass Living Dream die völlige Vernichtung heraufbeschwor, basierte samt und sonders auf Informationen, die von den Raiel kamen. Doch der gewaltige Zeitraum, der seit der letzten verheerenden Makro-Expansionsphase vergangen war, musste sämtliche Informationen verzerrt haben, ganz gleich, wie sorgfältig sie archiviert worden waren. Und zog man dann noch die Aliens und deren eigene Ziele mit ins Kalkül, so war es ihr schlichtweg unmöglich, diese Behauptung für bare Münze zu nehmen.
Auch ANA:Regierung war überaus interessiert daran, mehr Informationen über die Situation zu erlangen, was Paula ein geeignetes Ventil für ihre Energien verschaffte, und dankenswerterweise wenig Zeit, um über die damit einhergehende Politik nachzugrübeln. Ihre Aufgabe war es, nach wie vor, die Fraktionen daran zu
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