Das dunkle Universum 2 - Schwarze Welt
Rekruten im Chor.
»Dann haben wir uns ja verstanden. Also nehmt euch den Abend frei, genehmigt euch im Olovan’s Eagle ein oder zehn Gläschen und seht zu, dass ihr morgen früh für ein weiteres Pensum Theorie wieder in diesem Saal seid. Und noch was, auch wenn es gegen meine Prinzipien verstößt: Vorausgesetzt, ihr setzt eure Abschlussprüfungen nicht völlig in den Sand, werdet ihr alle eure Probezeit bestehen.«
»Ich war völlig unnütz«, jammerte Dinlay. »Bin wie zur Salzsäule erstarrt. War einfach nur unnütz.« Er trank einen weiteren Schluck von seinem Bier.
Edeard schaute zu Macsen herüber, der nur die Schultern zuckte. Sie saßen nun bereits seit einer Stunde im Olovan’s Eagle, und Dinlay hatte die ganze Zeit nicht viel anderes von sich gegeben. Es grenzte fast an ein Wunder, dass sie ihn überhaupt hatten überreden können, mit ihnen zu kommen. Er hatte keine zehn zusammenhängenden Worte von sich gegeben, seit Chae sie aus dem kleinen Saal entlassen hatte.
»Du bist nur für ein, zwei Sekunden erstarrt, mehr nicht«, sagte Kanseen. »Somit warst du fast direkt neben Chae, als er uns den Befehl gab, stehenzubleiben und dem Standbesitzer zu helfen. Du konntest gar nichts machen.«
»Ich hätte ihn ignorieren sollen, wie ihr. Aber das hab ich nicht. Ich habe versagt.«
»O du liebe Herrin«, schimpfte Kanseen und nahm wieder auf ihrem eigenen Stuhl Platz. Sie trug ein blau-weißes Kleid mit orangefarbenen Blumen. Es war nicht gerade das geschmackvollste Kleidungsstück, das Edeard in Makkathran zu Gesicht bekommen hatte, und auch nicht das modernste, aber es stand ihr gut. Ihre Kurzhaarfrisur hob sie nach wie vor von all den anderen Mädchen ab, die ihr Haar der Mode gemäß lang trugen. Aber auch das gefiel Edeard. Die Frisur passte zu ihr, hob ihre flache Nase heraus und unterstrich ihre schmalen, dunkelgrünen Augen. Nun, da er sie schon seit ein paar Monaten kannte, wirkte sie nicht mehr ganz so einschüchternd wie zu Anfang. Nicht, dass er in ihr etwas anderes sah als die Kollegin und Kameradin.
»Niemand hat versagt«, sagte Edeard. »Dieser ganze Nachmittag war völlig chaotisch, das ist alles. Und du hast Chae mit dem Standbesitzer geholfen.«
»Ich war wie gelähmt«, erwiderte Dinlay kläglich. »Ich hab euch alle enttäuscht. Hab meine Familie enttäuscht. Wisst ihr, die erwarten von mir, dass ich in zehn Jahren Wachhauptmann bin. So wie mein Vater einer war.«
»Trinken wir noch einen«, schlug Macsen vor.
»Klar, das löst natürlich sämtliche Probleme«, bemerkte Kanseen säuerlich.
Macsen zwinkerte ihr zu und bestellte über Longtalk bei einer der Kellnerinnen eine weitere Runde. Er musste noch irgendetwas anderes zu ihr gesagt haben, denn Edeard bekam mit, wie sie ihm ein gespielt empörtes Lächeln zuwarf.
Wie macht er das bloß? Es liegt nicht an dem, was er sagt, es ist sein gesamtes Auftreten. Und wieso kann ich das nicht? Edeard lehnte sich zurück und musterte seinen Freund mit kritischem Blick. Macsen saß in der Mitte eines schmalen Sofas, mit Evala auf der einen und Nicolar auf der anderen Seite. Beide Mädchen lehnten sich an ihn. Sie kicherten, lachten über seine Witze und hingen an seinen Lippen, als er erzählte, was sich auf dem Markt zugetragen hatte. Eine hanebüchene Räuberpistole, spannungsgeladen und strotzend vor Heldentum – eine Geschichte, die Edeard nicht mehr wiedererkannte. Er schätzte, dass Macsen ganz gut aussah mit seinen dunkelblonden Haaren und dem ebenmäßigen Kinn. Die braunen Augen funkelten immerzu vor fast schon sträflichem Vergnügen, was ihn wohl nur noch anziehender machte. Dass Macsen stets gut angezogen war, wenn sie zusammen ausgingen, spielte sicherlich auch keine unwesentliche Rolle. Heute zum Beispiel hatte er sich für hellbraune Hosen aus allerweichstem Wildleder entschieden, gegürtet von gewebten schwarzen Lederkordeln. Unter seinem dunkelsmaragdgrünen Gehrock lugte ein himmelblaues Satinhemd hervor.
Also ich hätte nie den Mut, so etwas zusammen zu tragen, aber ihm steht’s gut. Die perfekte Verkörperung eines Erstgeborenen aus vornehmem Hause.
Tatsächlich sahen sie im Vergleich zu Macsen alle ein bisschen langweilig aus. Bislang war Edeard mit seiner eigenen schwarzen Jacke, den geschneiderten Hosen und den kniehohen Stiefeln immer vollends zufrieden gewesen. Doch irgendwie war er in die Rolle des armen Freundes gerutscht, der das Mitleid von Macsens Eroberungen erregte und den sie nun barmherzigerweise mit
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