Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit

war ihr Zimmer in Tulip Mansion, das, in dem sie ihre Jugend verbracht hatte und das daher lächerlich violett und schwarz durchgestylt war, indessen sie lustig ihre Retro-Goth-Phase ausgelebt hatte, hauptsächlich um ihre Eltern zu ärgern. Ihr T-Shirt und ihre schlabberigen Flanellschlafanzughosen waren aus schwarzer Baumwolle. Zeh- und Fingernägel waren schwarz, mit aufgeklebten Blutedelsteinen. Sie starrte sie an, peinlich berührt wegen der modischen Geschmacksverirrung. Ihre Finger, schwer mit Totenkopfringen beladen, zogen hastig eine Haarsträhne vor ihr Gesicht: sie war – wie erwartet – schwarz.
    »Jesus«, ächzte sie.
    »Du sahst immer entzückend aus, ganz gleich, wie schlimm der Zeitgeschmack auch war«, sagte Gore. Er stand am Fußende des Betts, lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen am Pfosten. (Eine Himmelbett mit schwarzen Gazevorhängen – natürlich.) Sein hübsches Goldgesicht grinste auf sie herab.
    »Was? Wo? Bin ich … Ist das hier die Leere?«
    »Du bist nach wie vor in der Leere«, sagte Gore. »Ich bin daheim im Commonwealth und denk mir vertraute, heimelige Umgebungen aus, um unsere enge Verbindung noch zu verstärken. Und was könnte heimeliger als ein Kinderzimmer sein.«
    »Enge Verbindung?«
    »Es ist mir ja sehr unangenehm es zuzugeben, aber ich bin der Dritte Träumer geworden. Und rate mal, wessen Leben in der Leere ich träume.«
    »Ach du Scheiße.«
    Gore brachte ein teuflisches Grinsen hervor. »Könnte schlimmer sein. Du hättest zum Beispiel mit ihm schlafen können. Und mir wäre dann die Ehre zuteilgeworden, den ganzen Spaß ins Gaiafield zu übertragen.«
    » Scheiße !«
    »Deine verdammte Noblesse wird dich eines Tages noch mal in echte Schwierigkeiten bringen.«
    Vorsichtig stand Justine auf. »Was geht da draußen bei euch vor? Ist die Pilgerflotte inzwischen durchgekommen?«
    »Du meinst, in den vier Tagen, die du bis jetzt da drin gewesen bist?«
    »Vier Tage?«, fragte sie ungläubig.
    »Inzwischen fast fünf.«
    »Aber es waren …«
    »Vier Jahre. Einschließlich des Intermezzos mit dem Skylord.«
    »Das hast du mitbekommen?«
    »Oh ja. Dieses kleine Arschloch Ethan schlägt derzeit jede Menge Kapital aus der Weigerung dieses Himmelsheinis, dich zum Nukleus zu bringen. Verleiht seiner Sache ordentlich Auftrieb. Die Kleriker aus seinem affigen Rat werden seitdem in der gesamten Unisphäre rumgereicht und faseln wirres Zeug über Schicksal und Bestimmung. Die sind fast schlimmer als die Scheiße, die sie auf Viotia angerichtet haben.«
    »Viotia?«, fragte sie verwirrt.
    »Sie kehren den Planeten buchstäblich von unten nach oben, um den Zweiten Träumer zu finden. Aber mach dir deswegen keine Sorgen. Wir müssen uns auf dein Problem konzentrieren.«
    »Kazimir?«
    »Sozusagen. Verdammt, ich hab gar nicht mitbekommen, dass du noch immer so fixiert auf ihn bist. Das ist ganz schön in die Hose gegangen, stimmt’s?«
    »Was meinst du damit?«
    »Bisher hat Living Dream nichts Geringeres versprochen als die Möglichkeit, dein Leben in Ordnung zu bringen. Genau wie ihr ach so kostbarer Waterwalker es jedes Mal gemacht hat, wenn ihm einer seiner vielen Fehler unterlaufen ist. Wieder mal alles vermasselt? Kein Problem! Und Peng, erinnert er sich an den Moment zurück, wo er Mist gebaut hat und organisiert die Leere einfach bis zu diesem Augenblick um. Das und nichts anderes treibt ihnen ihre Anhängerschaft in die Arme. Das allein ist der Grund für das Schafgeblöke von wegen ›Nehmt uns bittebitte mit auf eurer Pilgerschaftsflotte‹.«
    »Ich weiß, Zeitreise würde den Wunsch eines jeden nach Erfüllung wahr werden lassen. Einfach zurückzugehen und die Schnitzer seines Lebens zu korrigieren, das ist die Verwirklichung der ultimativen Phantasie.«
    »Zeitreise ist kompletter Bullshit, absolut unmöglich. Niemand kann die Kausalität oder Entropie besiegen. Alles, was die Leere macht, ist, den Resetknopf drücken. Denn nichts anderes ist diese gottverdammte Erinnerungsebene, eine Schablone von jedem einzelnen Augenblick darin. Und womit, zur Hölle noch eins, treibt sie das alles an?«
    »Dad.«
    »Jeder Planet, jede Person, jeder Skylord, jeder Stern muss seine Entropie zu dem Punkt in der Zeit zurücksetzen, an den Edeard gerade gern mal zurückkehren will. Jeder Stern! Jedes einzelne Atom jedes Sterns in der Leere muss sein Energielevel von Neuem aufpumpen, damit er wieder von vorn anfangen kann. Gütiger Himmel, was für ein Hochmut. Und woher nimmt