Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
überquerte die rötlich-gelbe Sandsteinbrücke nach Ysidro. Gleich geradeaus befand sich die Taverne Blue Fox, ein rundes, dreistöckiges Gebäude mit einem seltsamen hexagonalen Bossenwerkmuster, das in die kupferfarbene Mauer hineingearbeitet war. Seine schlanken Spitzbogenfenster ließen es höher erscheinen, als es in Wirklichkeit war. Sie zögerte einen Moment, bevor sie durch einen der schmaleren Nebeneingänge hineinschlüpfte. Irgendetwas waberte an der Peripherie ihrer Fernsicht, als wäre eine Nebelsäule die Gasse entlanggeweht. Sie runzelte die Stirn, aber da ihre Sinne nichts ausmachen konnten, huschte sie die Treppe hinauf ins dritte Geschoss.
Das Blue Fox war vor allem bei Mitgliedern der Großen Familien sehr beliebt, als Ort, wo sie ungestört ihren Liaisons nachgehen konnten; die besonders dicken Wände der Zimmer machten es überflüssig, einen Zurückgezogenheitsschleier zu benutzen. Ausgenommen gegen die außergewöhnlichsten Fähigkeiten, war Privatsphäre garantiert. Mit dem Schlüssel, den sie erhalten hatte, öffnete Salrana die Tür zu einem reservierten Zimmer.
Das Sonnenlicht wurde durch einen gefärbten Gazevorhang zerstreut, der die Fenster verdeckte. Mehr Stoffe waren an den Wänden drapiert. Kerzen flackerten auf der Kommode und verströmten einen schweren, moschusartigen Geruch. Das große Bett war überladen mit Seidenbetttüchern und Felldecken.
Neben dem Bett wartete Salranas Liebhaberin. Glühend vor Erwartung ließ Salrana ihre Novizinnenrobe fallen, um stolz das dünne Seidenmieder, das sie darunter trug, zu präsentieren, ein kürzliches Geschenk ihrer Geliebten. Die gleiche Geliebte zog sie jetzt an sich und küsste sie. Sanfte Hände öffneten das oberste Häkchen an ihrem Mieder. Ein weiterer Kuss. Das nächste Häkchen wurde geöffnet. Mehr Küsse, jeder inniger als der vorhergehende. Schließlich fiel das Mieder zu Boden. Ein erregtes Wimmern drang tief aus Salranas Kehle, sie konnte sich nicht länger beherrschen, umschlang ihre Geliebte und erwiderte heiß ihre Küsse.
Edeard gab seine Verstohlenheit auf. Erschrocken sprang Salrana zurück. Ihr Geist strömte Schuldbewusstsein aus.
»Du«, sagte Edeard säuerlich. »Das hätte ich mir ja denken können. Wirklich.«
»Und doch hast du es nicht, stimmt’s?«, sagte Ranalee verächtlich. Sie zog ihr eigenes Seidennegligé hoch und richtete sich ihr zerzaustes Haar. »Ich dachte, du hättest die Stadt verlassen.«
»Ja. Den Fehler haben so einige gemacht. Deine Freunde. Deine Familie. Deine Mitkonspirateure.«
Ranalees Augen weiteten sich. Überraschung spiegelte sich in ihnen, dann Angst, als ihr gerichteter Longtalk nicht beantwortet wurde. »Was hast du gemacht?«, fauchte sie.
»Sie werden dir nicht antworten. Nicht mehr. Nie mehr.«
»Vater?«, keuchte sie.
»Die Herrin wird seiner Seele gnädig sein, da bin ich sicher. Ich bezweifle allerdings, dass igendjemand anders es wird.«
»Du Bastard!« Ranalee zitterte, den Tränen nah.
»Du hattest für mich Schlimmeres geplant, viel Schlimmeres.«
Ranalee fasste sich genug, um ihn herausfordernd anzustarren. »Und? Was hast du jetzt mit mir vor?«
»Nichts. Denn genau das bist du ohne Owain und deine Familie. Ein Nichts. Eine Puffmutter. Was ist das? Gar nichts.«
Salrana machte zögernd einen Schritt nach vorn. »Edeard –«
»Sei still. Ich gebe dir keine Schuld. Weißt du überhaupt, was die mit deinem Geist gemacht haben, wozu diese Hexe imstande ist?« Noch während er sprach, konnte er den Unterschied in Salranas unabgeschirmten Gedanken erspüren. Die Härte, die dort strömte, wo einst nur Zufriedenheit und Heiterkeit gewesen war.
»Natürlich weiß sie das«, sagte Ranalee hämisch. Schützend legte sie ihre Arme um Salrana, die sich Bestätigung suchend an sie lehnte. »Ich hab ihr ein richtiges Leben gezeigt.«
»Sie haben deinen Zorn auf mich benutzt, damit du dich selbst aufgibst. Diese … diese Schergin des Honious hat dich geholt, als du am verwundbarsten warst. Es war kein Zufall, dass sie dir begegnet ist. Und auch nicht Schicksal. Ich weiß, wie sie ist, Salrana. Sie besitzt eine perverse Fähigkeit, mit der sie deine ureigensten Gedanken verdrehen kann, sie verbiegt, was eigentlich schön sein sollte, in etwas Abartiges und Krankes. Es ist nicht Liebe, was du für sie fühlst, sondern eine elende Korrumpierung der Zuneigung, die dein wahres Ich zu empfinden vermag.«
»Nein«, unterbrach ihn Salrana sanft. » Ich habe Ranalee
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