Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
darüber, dicht an die Öfen gekauert, und beschwerte sich über das späte Einsetzen des Frühlings.
Edeard war froh, dass nur so wenig Menschen unterwegs waren; seine Stimmung war immer noch ziemlich gedrückt. Er kam am Fuß des Yolon-Turms an und trat durch den breiten Torbogen. Eine massive Wendeltreppe schraubte sich den zentralen Lichtschacht empor. Er grummelte bei ihrem Anblick. Jede der geschwungenen Stufen mit ihren großen Zwischenräumen war für menschliche Beine denkbar ungeeignet. Eines Tages, überlegte er, während er seinen wadenpeinigenden Aufstieg begann, würde er alle Vorsicht fahren lassen und einfach sämtliche Herrin-verdammten Treppen der Stadt umformen.
Vom oberen Ende der Treppe gingen drei Brückenwandelgänge ab. Er nahm den Kimvula-Gang und fühlte sich augenblicklich ermutigt durch das emsige Treiben so hoch über dem Boden. Der Gang war eng im Vergleich zur Höhe der Mauern an jeder der Seiten, fünf Stockwerke aus Kielbögen und Erkerfenstern. Dennoch war er breit genug, um links und rechts einer Reihe von Verkaufsständen Platz zu bieten.
Edeard lockerte seinen Schal, während er an ihnen vorbeischritt. Es war warm in dem Gang, das Licht der Wintersonne wurde durch das Kristalldach in einen blassen Pinkton gefärbt. Menschen scharten sich um die verschiedenen Stände, feilschten mit ihren Besitzern. Die Luft war von dem Duft von Gewürzen erfüllt und überaus trocken. Irgendjemand röstete Honigpflaumen.
Etwa auf dem Drittel seines Weges durch den Gang bog er in einen schmalen Seitenkorridor ein, der zu einer anderen Wendeltreppe führte. Seufzend mühte er sich weitere drei Stockwerke hoch. Der Gang auf dieser Etage war von dem orangenen Licht der Stadt erhellt, das von den Ringen, die sich über jeder Türöffnung befanden, ausging. Er fand die rote Tür mit den verschnörkelten violetten Scharnieren und klopfte höflich an, obgleich er die Bewusstseine hinter der Wand spüren konnte.
Dybal öffnete ihm. Der betagte Musiker war nicht mehr der Alte. Zwar trug er immer noch ein grellfarbiges Hemd und hatte sein Haar zu tadellosen Zöpfen geflochten, doch war seine übliche gute Laune deutlich gedämpft. »Danke für dein Kommen«, sagte er. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als er Edeards rötlich geflecktes Gesicht musterte. »Geht’s dir gut? Du siehst aus, als hättest du dich verbrannt.«
»Kein Grund zur Sorge. Ich hatte einen kleinen Unfall, das ist alles.«
»Merkwürdig, das ist jetzt schon der zweite Unfall, von dem ich diese Woche höre; vor zwei Nächten hat’s im House of Blue Petals ein Feuer gegeben. Du solltest da nicht rumhängen, Edeard, dieser Ort war schon für so manchen armen Jungen der Ruin.«
»Werd’s mir merken, danke.«
Edeard wurde in das Wohnzimmer geführt, dessen bauchiges Erkerfenster auf den fünfeckigen Platz hinausblickte. Weit dahinter waren große Nussbirnbäume zu erkennen. Sie standen in Kübeln, die sich aus dem Plazaboden wölbten. Ihre entblößten Äste funkelten hellweiß im Schatten der Brückengebäude.
Der Rest seines Trupps war bereits eingetroffen. Boyd und Dinlay standen nah am kohlebefeuerten Eisenofen; sie wirkten beunruhigt und strömten Besorgnis aus. Kanseen hantierte an einem Samowar herum, ihre Gedanken streng abgeschirmt, wie immer. Macsen kniete neben dem Stuhl, auf dem Bijulee saß, den Arm auf die Beine seiner Mutter gelegt. Offensichtlich hatte sie geweint. Jetzt tupfte sie ihr Gesicht mit einem Taschentuch ab, zeigte ein tapferes Lächeln.
Edeard sah den Bluterguss an ihrem Auge und zuckte zusammen. Jäh verwandelte sich seine Sorge in Zorn. »Kanntet Ihr sie?«, platzte er heraus.
Sie lächelte Edeard nachsichtig an. Selbst mit dem Veilchen war sie noch wunderschön. »Nein. Ich wollte nicht, dass sie dich rufen. Ich wollte dich nicht damit behelligen.«
»Mutter«, sagte Macsen. »Es ist unsere Schuld, dass das passiert ist.«
»Nein«, widersprach sie.
»Was haben sie gemacht?«, fragte Edeard, obwohl er die Antwort bereits zu kennen glaubte. Er konnte sehen, wie Macsens Hände sich zu Fäusten ballten.
»Nichts«, entgegnete Bijulee. Sie lächelte Kanseen zu, die ihr eine Tasse dampfenden Tee herüberbrachte. »Danke. Es waren bloß ein paar Strolche.«
»Vier«, knurrte Macsen. »Vier Strolche.« Er sah Edeard mit vielsagendem Blick an.
»Sie meinten, alles Tun hätte seine Konsequenzen«, fuhr Bijulee fort. »Und dass Macsen aufpassen soll.« Sie strich ihrem Sohn mit einer
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