Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
Marble-Canal-Tunnels auf.
Der Anblick wirkte augenblicklich entmutigend. Zu wissen, dass er wieder hinauf in die Straßen der Stadt zurückkehren würde, ließ ihn mit einem Male schmerzhaft seine Niederlage spüren. Er konnte niemandem etwas sagen, konnte sich an niemanden wenden. Schlimmer noch, er hatte wirklich nicht die leiseste Ahnung, was er als Nächstes unternehmen sollte.
Vielleicht sollte ich einfach von hier verschwinden. Mich nach Ufford davonmachen, und Salrana und ich werden glücklich und zufrieden draußen auf dem Lande leben, wo wir hingehören.
Ein verführerischer Gedanke. Aber wenn er sich nicht gegen die Banden zur Wehr setzte und gegen Ranalee und ihre Familie und ihresgleichen, würde sich nie etwas ändern. Und am Ende würde der Verfall der Stadt auch die ländlichen Provinzen mit in den Untergang reißen. Das Problem würde zu dem seiner Kinder werden, und bis dahin wäre es sogar noch um einiges größer.
Edeard seufzte und machte sich auf den schweren Weg nach Hause.
Den nächsten Tag verbrachte er in seiner Maisonette, meldete sich über Longtalk bei Dinlay auf der Wache und gab vor, er habe sich erkältet. Lians Prozess ging in seinen achten Tag, doch er hatte seine Aussage im Zeugenstand bereits gemacht. Die Staatsanwaltschaft brauchte ihn nicht mehr. Dinlay wünschte ihm gute Besserung.
Er entsandte einen seiner Ge-Affen zum nächsten Arzt, um eine schmerzlindernde Salbe zu holen, die er sich auf seine verbrannte Haut tupfte. Dann entschuldigte er sich bei Jessile und bat sie mit der Begründung, er wolle sie nicht anstecken, an diesem Abend lieber nicht vorbeizukommen. Sie bedauerte ihn gebührend und ließ ihm durch die Hausköchin einen Korb mit Hühnersuppe und anderen Gaumenfreuden schicken.
Er wollte sich einfach nur ein paar Tage ausruhen, über seine nächsten Schritte nachdenken; auf jeden Fall musste er mit Großmeister Finitan sprechen.
Dann, um die Mittagszeit des zweiten Tages, meldete sich Kanseen über Longtalk bei ihm.
Der Cobara-Distrikt hatte Edeard von jeher begeistert. Er besaß keine Straßen wie die anderen Bezirke der Stadt. Stattdessen erhoben sich dort mehr als hundert Säulentürme aus dem Boden, allesamt vier Stockwerke hoch und auf jeder Etage geräumig genug, um einer Familie ausreichend Platz zum Wohnen zu bieten. Doch das wirklich Besondere an der Architektur war der Teil oberhalb der Türme. Jeder Turm stellte den Stützpfeiler einer breiten Brücke dar, welche die Kluft zum nächsten Turm überspannte. Von den meisten Türmen gingen mindestens drei solcher Brücken ab, von einigen sogar noch mehr. Sie verwoben den Distrikt zu einem Netz aus vieleckigen hängenden Strukturen. Und erst hier oben begann der tatsächliche Lebensraum des Bezirks; am flachen Bogen einer jeden Brückenplattform erstreckten sich die Wohnplätze sechs Stockwerke hoch in den Himmel. Sie bildeten Dreiecke, Vierecke, Fünfecke, Sechsecke, und direkt im Zentrum des Distrikts liefen die Brücken zu dem berühmten Rafaelsbrunnen-Dodekagon zusammen, das die Künstler-, Botaniker- und Kartographengilden beherbergte. Die Brunnenfontäne selbst stieg tosend aus einem großen Becken im Zentrum des Zwölfecks empor, ihre schäumende weiße Spitze hob sich noch weit über die gewölbten Kristalldächer hinaus.
Edeard ging an dem tobenden Wasserstrahl vorbei und wischte mit seiner dritten Hand den eiskalten Sprühnebel fort, der über die Beckenränder spritzte. Er war dick eingepackt in seinen fellgefütterten Mantel. Zusätzlich trug er eine schwarze Ohrenschützermütze, ein kastanienbrauner Schal bedeckte seinen Mund. Niemand erkannte ihn unter seinem Zurückgezogenheitsschleier, obwohl er sich des Ge-Adlers, der durch den trübgrauen Himmel glitt und mit ihm Schritt hielt, überaus bewusst war.
Hinter dem Brunnen hielt er sich links und auf den rot und blau gestreiften Milligal-Turm zu, dessen Wände von einem Geflecht aus Gurk-Rebenzweigen überwuchert waren. Ganze Kohorten von Ge-Affen waren im Einsatz, um den Platz von dem Schneematsch zu befreien, der in den Schatten der erhöhten Gebäude des Distrikts noch nicht weggetaut war.
Der Winter verlieh Cobara bei den nur spärlichen Strahlen blassen Sonnenlichts, die durch die kunstvollen oberen Gebilde bis zum Boden gelangten, eine seltsam unterirdische Atmosphäre. Im Sommer war der Platz voller Menschen und kleiner Märkte und Straßenkünstler und spielender Kinder. Heute hockte jedermann in seinen Wohnungen
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