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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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Silberkettchen, mit so feinen Gliedern, dass es wie Sand in ihre Hand rieselte. Figürchen baumelten daran. Sie entdeckte ein winziges Haus, eine zusammengerollte Katze, betende Hände …
    „Es ist hübsch.“
    „Es hat meiner Mom gehört. Ich habe ein paar von den Glücksbringern abgemacht, damit es dreizehn sind.“
    „Ach, Jonathan.“ Sie legte es um ihr Handgelenk und schloss den winzigen Verschluss sorgsam. „Ich werde damit nie nach einem Darkling werfen, versprochen. Wie heißt es?“
    „Acariciandote.“
    „Äh, kannst du das noch mal sagen?“
    „Acariciandote. Das ist Spanisch. Mein Dad spricht kein Spanisch mehr, aber meine Mom tat das immer.“
    Sie versuchte sich langsam an den Silben und zuckte, als die sich fürchterlich in ihrem Mund verzwirbelten. „Funktioniert Spanisch bei Darklingen?“
    „Gringa.“ Er schüttelte lächelnd seinen Kopf. „Spanisch hat vierhundert Jahre lang in Oklahoma voll reingehauen, bis die Engländer hier ankamen.“
    „Huch, entschuldige. Da habe ich nie drüber nachgedacht.“
    Sie versuchte noch einmal, den Namen auszusprechen, und verhedderte sich nach wenigen Silben. „Was bedeutet das?“
    „Komische Sache.“ Er nahm ihre Hand. „Es bedeutet ,dich berühren‘, wie beim Zusammenfliegen.“
    Sie strahlte. „Wie immer, wolltest du sagen.“ Sie hielt das Armband ins Licht. „Es ist so …“ Jessica hielt inne und sah entsetzt den Mond hinter den baumelnden Figürchen an.
    Es war bereits zur Hälfte untergegangen.

    „Wir müssen gehen.“ Sie stand auf. „Ich darf nicht zu spät kommen. Meine kleine Schwester steckt in meinem Schrank.“
    „Hä?“
    Sie packte ihn beim Handgelenk und zerrte ihn mit sich zur Kante des Daches. „Ich erklär es dir unterwegs.“
    Sie flogen die Division Street hinunter, in flachen, weiten Sprüngen, wobei sie auf dem Dach eines Trucks in Richtung Norden ihre Fußabdrücke hinterließen. Eine heftige Wendung auf ihr Wohnviertel zu schickte sie durch die Krone einer riesigen Eiche. Blätter und abgerissene Zweige zerstreuten sich im erstarrten Wind. Obwohl sich Jessica die Arme zerkratzte, lachte sie laut auf vor Freude, weil sie wieder schnell fliegen konnte und einfach so dahinsauste, während die Erde unter ihr verschwamm. Sie spürte, wie ihre Sorgen für kurze Zeit von ihr abfielen, Stalker und Grayfoots und Halblinge im Schlepp hinter ihnen.
    Sie schafften es knapp. Fünf Minuten blieben noch, als sie auf ihrem Rasen taumelnd zum Stehen kamen, gerade genug Zeit für Jonathan, um den Heimweg zu schaffen, bevor der eiskalte Wind wieder zum Leben erwachte. Jessica wirbelte ihn zu sich herum. Seit der Stalker in ihr Leben getreten war, hatte sie sich nicht mehr so gut gefühlt. Sie hob Acariciandote hoch, dessen Anhänger sich nach dem Flug noch immer drehten und leise klimperten.
    „Vielen Dank dafür, Jonathan.“ Sie küsste ihn so heftig, dass er mit den Füßen vom Boden abhob.
    Er lächelte und wandte sich verlegen ab.
    „Jetzt sieh zu, dass du sicher und schnell nach Hause kommst. Nicht zu Fuß!“ Mit einem Schubs drehte sie ihn wieder in Richtung Stadt. „Wir sehen uns morgen im Flächenland.“

    Er lachte und fing an zu laufen. Aus seinen großen Schritten wurden Sprünge über halbe Häuserblocks, bis ihn ein phantastischer Sprung in die Luft und aus ihrem Blickfeld beförderte.
    Jessica sah ihm nach und strahlte. Ihr Normalgewicht drückte sie nicht so heftig nieder wie sonst, wenn er sie verließ. Vielleicht war die Lage morgen im Flächenland immer noch verzwickt, aber dann würde sie wenigstens das kühle Metall von Acariciandote an ihrem Handgelenk spüren, eine Erinnerung an die geheime Stunde.
    Sie holte tief Luft, bis ihr heftig pochendes Herz langsamer schlug, und pflückte dabei Blätter und Gras aus ihrem Haar und von den Kleidern.
    Dreißig Sekunden blieben ihr noch, als sie durch das Fenster kletterte, fast hätte sie vergessen, die Schuhe von den Füßen zu schleudern, als sie das Zimmer durchquerte.
    „Okay, Beth. Gib dein Schlechtestes.“ Sie holte noch einmal tief Luft und legte eine Hand an den Knauf der Schranktür.
    Midnight hörte so auf, wie sie begonnen hatte. Nach Jessicas Uhr rumpelte die normale Zeit mit den gleichen neun Sekunden Verspätung unter ihren Füßen und entzog der Welt zugleich das blaue Licht und die Stille.
    „…ei, vier …“, meldete sich eine gedämpfte Stimme aus dem Schrank.
    Jessica riss ihn auf, dahinter tauchte Beth mit rotem Gesicht und geballten

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