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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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gegen den Baum fallen. Es war helllichter Tag, kein Darkling lag auf der Lauer. Und der dreizehnzackige Stern bewies, dass einer von den Guten dieses Haus in grauer Vorzeit zu seinem Heim gemacht hatte. Dess hatte tagelang gearbeitet, um herauszufinden, wie Koordinaten die Wellen in der Oberfläche der Midnight verursachten, und dieser Entdeckung musste sie nachgehen. Allein. Jetzt.
    Sie ging den Weg hinauf.
    Hinter einer verschlossenen Gittertür stand das Haus offen.
    Dess drückte auf einen Knopf, der an einer einzelnen Schraube am Türrahmen hing, aber nichts rührte sich. Sie schob die Sonnenbrille tiefer, um durch das zerknitterte und löchrige Drahtgeflecht zu spähen, und ballte eine Faust, um zu klopfen.
    Aus der Finsternis spähte ihr ein blasses Gesicht entgegen.
    Sie starrten einander eine Weile an. Die alte Frau war in einen dunkelroten Morgenmantel gehüllt, der so verschlissen war, dass er sich in der kaum wahrnehmbaren Brise bewegte, die an Dess vorbei zur Tür hineinwehte. Die Augen der Frau waren weit aufgerissen, das Weiße leuchtete in der Dunkelheit, aber sie sah eher neugierig als ängstlich aus.
    „Komm rein“, sagte sie. „Du hast ziemlich lange gebraucht.“

social nach der schule
    2.54 Uhr nachmittags
16
    Dreißig Sekunden bevor die Klingel zum Schulschluss zu Ende geläutet hatte, saßen Melissas Kopfhörer in Position, das Band einsatzbereit vor ihrem Spitzentitel.
    Sie lehnte sich zurück und schloss ihre Augen. Überall an der Bixby Highschool konnte sie spüren, wie Finger die Schreibplatten an der Seite packten, Bücher und Stifte einsammelten, Reißverschlüsse von Rucksäcken zuzogen, unter den erschöpften Blicken der Lehrer. Um sie herum schwirrten die Gedanken an Heimwege, die kürzesten Strecken zu Spinden, den nächstgelegenen Ausgang, den schnellsten Weg nach draußen. Der eskalierende Krach der wenigen Schlusssekunden machte sie wahnsinnig und breitete sich in ihrem Kopf aus wie ein Sprechchor mit Tischtrommeln …
    Raus, raus, raus!
    Am Ende ertönte der Schrei, und das Gebäude um sie herum explodierte.
    „Aua“, sagte Melissa. Mit dem Eintreffen der Midnight ließ sich die Schlussglocke nicht vergleichen, war aber täglich ihr zweitliebstes Erlebnis.
    Sie drückte auf „Play“ und legte den Kopf zurück. In ihren Ohren detonierten laute metallische Klänge, in denen die kratzenden Tische und quietschenden Schuhe versanken. Sie spürte, wie sich Körper auf den Fluren aneinander vorbeidrängten, Finger Schlosskombinationen attackierten und entfesselte Konversationen durch die Schule hallten.
    Dann hatte der Strom die Türen erreicht, und der Druck, der sie den ganzen Tag über traktiert hatte, flaute allmählich ab, wie ein Geschwür, das endlich seinen Inhalt ergoss.
    Sie seufzte und öffnete ihre Augen. Über sich sah sie Mr Rogers. Außer ihnen beiden war niemand im Klassenraum.
    Sie schaltete das Band ab.
    „Melissa? Ist alles in Ordnung?“
    „Könnte nicht besser sein.“ Ihr zufriedenes Lächeln irritierte ihn nur noch mehr. Sie hoffte, dass Rogers ihr keine Schwierigkeiten machen würde.
    „Machst du das nach jeder Stunde?“
    „Nein, nur nach dieser. Ich entspann mich gern erst mal nach den Anstrengungen eines harten Schultages. Ich hoffe, das geht für Sie in Ordnung, Mr Rogers?“
    „Du weißt doch, dass Musikhören in Klassenräumen verboten ist.“
    Ihre Augen verengten sich. „Ich stell ihn nicht an, bis die Schlussglocke läutet. Bis die Stunde zu Ende ist. Bis die Schule zu Ende ist.“
    Sie schmeckte die Antwort auf ihrer Zunge, bevor er den Mund aufgemacht hatte. Der ranzige Buttergeschmack eines Kleingeistes, der um Kontrolle ringt.
    „Dennoch, Melissa“, sagte er, „ist dies hier ein Klassenzimmer, und ich würde es begrüßen, wenn du warten würdest, bis du im Flur bist, bevor du dieses Ding anstellst.“
    Eine bissige Antwort lag ihr auf der Zunge, Melissa schluckte sie aber wieder runter. In den letzten Tagen war es ihr leichter gefallen, ihr Temperament zu zügeln. Außerdem gab es, wie ihre Sozialkundelehrerin zu sagen pflegte, immer produktive Möglichkeiten, Protest zu kanalisieren.
    „Selbstverständlich, Mr Rogers“, antwortete sie höflich.
    „Wohnen Sie zufällig in Bixby?“
    „Ja, drüben in der Dr.-Pepper-Siedlung. Warum fragst du?“
    „Nur so. Aus Neugier.“
    Sie lächelte. Mr Rogers wohnte nah genug für einen Besuch in einer der kommenden Nächte in der blauen Zeit.
    Arschloch.

    Die leeren Tribünen rochen nach

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