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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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all das entdeckt habe.“
    „Schon gut, tut mir leid.“ Spitze, noch eine Nacht mit lauter Entschuldigungen. „Bleiben wir in Bewegung.“
    Sie drehten sich um, fassten sich an den Händen und arbeiteten sich in weiten Sprüngen den verlassenen Highway hinab.
    Die Stacheldrahtschlaufen zu ihrer Rechten blinkten unheilvoll an ihnen vorbei, während sie immer schneller wurden.
    „Ich verstehe nicht, wieso Rex davon ausging, ich wüsste, wo Constanza wohnt. Ich bin erst seit einem Monat in dieser Stadt.“ Sie seufzte. „Obwohl der mir wie Jahre vorkommt.“
    „Ist schon gut, Jess. Wir werden es finden.“ Jonathan hoffte, sie würde sich aufs Fliegen konzentrieren. Ein falscher Schritt, und sie würden oben im Zaun landen – mit achtzig Meilen in einen Stacheldraht würde sich nicht gut machen.
    „Ich hätte Constanza anrufen können oder so, aber Beth hat mir Rex’ Nachricht erst ausgerichtet, nachdem sie aufgehört hatte, mit Chicago zu telefonieren. Fünf Minuten vor Mitternacht. Das kleine Biest.“
    Jessica verfiel in Schweigen, mit verkniffenem Gesicht. Jonathan fragte sich, ob sich Beth auch so benehmen würde, wenn Jessica sie zum Beispiel nicht in ihren Schrank gesperrt hätte. Noch ein paar Sprünge, dann hatten sie die Umzäunung von Aerospace Oklahoma geschafft und würden die blinkenden Stacheldrahtwindungen hinter sich lassen. Endlich.
    „Sieh mal, mit Rex und Melissa ist wahrscheinlich alles okay. Ich wette, sie wollten uns bloß was zeigen. Was hat deine Schwester genau gesagt?“
    Jessica antwortete erst, nachdem sie gelandet und, um einen auf dem Highway erstarrten alten VW Käfer herum, wieder abgesprungen waren. „Sie sagte: ,Rex und Melissa sind bei Constanza. Sie brauchen dich.‘ Das hört sich ziemlich eindeutig an.“
    Jonathan schnaubte ärgerlich. Es hörte sich nach Rex an, der Anordnungen erteilte. „Komm schon. Du weißt, wie vorsichtig Rex ist. Er würde nie ohne anständige Waffen um Mitternacht aus dem Haus gehen. Vielleicht haben sie Dess mitgenommen.“
    „Hoffentlich hast du recht. Sehen wir einfach zu, dass wir dahin kommen.“
    „Hilfreich wäre es, wenn du wüsstest, wo da ist.“
    „Ich gebe mir Mühe, okay?“
    Sie hatten eine Überführung erklommen, und Jonathan stöhnte über den Anblick, der sich ihnen bot. Der Highway erstreckte sich vor ihnen in die Badlands hinaus, mit etlichen Abfahrten bis zum anderen Ende des Bezirks Bixby, von denen jede zu ausgedehnten Wohnsiedlungen führte. In der normalen Zeit konnte man von den Bergen aus den schwarzen Asphalt unter hellen Lichtstrudeln der Straßenlaternen und Hinterhof-Notbeleuchtungen schimmern sehen. Aber jetzt, in der Midnight, leuchtete nur der dunkle Mond. Constanzas Haus konnte irgendwo auf der blauen Wüstenebene stehen.
    So frustrierend das auch war, immerhin flogen sie. Seine Halsschmerzen waren weg, sein Knöchel tat nicht mehr weh, und letzte Nacht hatte er angefangen, die Dinge zwischen ihm und Jessica zu klären. Ohne Rex’ kryptische kleine Nachricht wäre dies eine perfekte Stunde allein mit ihr irgendwo in der Höhe geworden.

    Besten Dank, Rex und Melissa.
    Jonathan fragte sich, wie die beiden nach so kurzer Zeit, neunundvierzig Stunden nach ihrer letzten Klemme, schon wieder in Schwierigkeiten geraten konnten. Wollten sie sich absichtlich umbringen lassen? Gestern Abend war ihm Melissa verändert vorgekommen, als ob Rex’ ruhige, kontrollierte geistige Gesundheit allmählich auf sie überfließen würde.
    Vielleicht passierte das Umgekehrte aber auch, und Melissas Verrücktheit strömte zu Rex hinüber.
    Seit Jonathan sie berührt und gespürt hatte, was sich wirklich in ihrem Kopf abspielte, hatte er sich gefragt, ob im Zentrum ihrer Bitterkeit ein echter Todeswunsch liegen könnte, ein Verlangen, um auf Dauer der Qual zu entkommen, dass ihr Verstand ihr nie allein gehörte.
    Plötzlich schoss ihm eine Idee durch den Kopf.
    „Decatur Street?“, fragte er leise.
    „Stimmt!“, rief Jessica. „Genau das habe ich gerade gedacht.
    Jetzt erinnere ich mich. Die Ausfahrt hat sie genommen.“
    Jonathan schluckte. „Das ist komisch.“
    „Du wusstest also die ganze Zeit, wo sie wohnt?“
    „Ich?“ Jonathan lachte. „Klar, logo. Wo ich so oft mit Cheerleadern zusammen bin.“
    Er deutete nach rechts, während er Jessica zu einer Abfahrrampe zog. Sie übersprangen ein Tankstellenkleeblatt, das sich um eine Kreuzung gruppierte, und landeten auf einem unebenen, unbewirtschafteten Feld.

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