Das Dunkle
Echinocereus pectinatus sprenkelten das Feld wie stachelige Basketbälle, und Jonathan verlangsamte ihr Tempo. Er hatte einmal in der geheimen Stunde einen Kaktus gestreift – scharf wie Stacheldraht, mit dem netten Zusatzproblem, dass die Stacheln abbrachen und im Fleisch stecken blieben.
Vom höchsten Punkt ihres nächsten Sprungs entdeckte Jonathan eine dunkle Häuseransammlung in der Ferne.
„Schon mal gesehen?“
„Doch. Ich glaube, da wohnt sie. Sie ist mehr als ein Cheerleader, musst du wissen.“
„Tut mir leid“, murmelte Jonathan. „Ich wollte bloß sagen, dass ich absolut keine Ahnung hatte, wo Constanza wohnt. Bis heute Nacht habe ich keinen Gedanken daran verschwendet.“
„Du hast aber doch gerade gesagt …“
„Ich weiß.“ Er spürte, wie sich die wenigen restlichen Sprünge in seinem Hirn verankerten, mit Winkeln war das immer so. Aber dieses Wiedererkennen ergab keinen Sinn.
Irgendwie sah er genau vor sich, wie sie sich Constanzas Haus nähern würden, so deutlich wie den nächtlichen Trip zu Jessica, jedes freie Feld oder Dach, all die Landeplätze zwischen hier und dem zweistöckigen Anwesen auf dem größten Grundstück der Siedlung.
Er war aber noch nie dort gewesen. Nicht ein einziges Mal.
Ein Schleier tauchte am Horizont auf, eine krumme Säule wie der Staubteufel, den sie vor drei Nächten gesehen hatten.
Diese hier war aber viel größer und bewegte sich, die schwarzen und flatternden Gleiter bildeten einen wirbelnden Strudel über dem Haus.
„Mist. Sieht so aus, als könnten sie uns doch gebrauchen.“
„Hoffentlich kommen wir nicht zu spät.“ Jessica zog ihre Taschenlampe heraus und legte sie an ihre Lippen. Jonathan hörte zwischen den Schreien, wie sie flüsterte: „Demonstration.“
Die Wolke wirbelte vor ihnen in der Luft und begann, sich in die Wüste hinaus zu verteilen, das Schlagen der ledrigen Flügel knatterte wie hunderte von Flaggen bei starkem Wind.
Er fragte sich, ob die Darklinge schon wieder weg waren, weil sie mit ihren altertümlichen, sensiblen Sinnen die Ankunft des Flammenbringers gespürt hatten und klugerweise geflohen waren.
„Äh, Jonathan … kannst du mal?“ Jessica streckte ihm ihr Handgelenk hin.
Er grinste und sagte langsam und deutlich „Acariciandote“
zu dem Armband.
„Danke“, sagte sie. „Ich werde es lernen. Versprochen.“
„Ich bringe es dir bei.“ Jonathan zog sich seine Kette über den Kopf und murmelte: „Maulaffenfeil.“ Besser, wenn man vorbereitet war, auch wenn er das mit Jessica in seiner Nähe vermutlich nicht brauchte.
Am höchsten Punkt ihres nächsten Sprungs erwachte die Taschenlampe in ihrer Hand zum Leben und schnitt mit ihren gleißenden Strahl durch den Fluggleiterschwarm. Jonathan kniff seine Augen fest zu, das weiße Licht brannte, wenn es so unvermittelt in das kühle, endlose Blau der geheimen Stunde einbrach. Im Gleichklang mit den Entsetzensschreien, die die Luft erfüllten, brannte sich ein letztes Bild vor seinem geistigen Auge ein: Gleiter, die beim Licht der Taschenlampe in Flammen aufgingen, ein Feuerkeil, der vor dem schwarzen Horizont explodierte, während der dunkle Mond hinter der Macht des Flammenbringers verblasste. Dann stach ihm der Geruch verkohlten Fleisches in die Nase.
Jonathan hustete und zwang sich, die Augen zu öffnen.
Endlich hatte Jessica Demonstration ausgeschaltet. Der Lichtstrahl hatte den Gleiterschwarm zerteilt und zwei chaotische Meuten hinterlassen, die über der Wüste kreisten. Ein fleckiger Schleier kennzeichnete die Stelle, wo das Licht durch den Schwarm gefahren war, wie Rauchflocken, die nach dem Finale eines Feuerwerks zurückgeblieben waren.
Jonathan versuchte, die Flecken vor seinen Augen wegzublinzeln. „Warnst du mich beim nächsten Mal?“
„Tut mir leid.“ Sie drückte seine Hand. Hinter den gestreiften Nachbildern vor seinen Augen sah er ihren wilden Blick, den elektrifizierten Ausdruck, den der heftige Energiestoß in ihrem Körper hinterlassen hatte. Seine Hand kribbelte an der Stelle, wo sie ihre Handflächen aneinandergepresst hatten.
Er blinzelte wieder: Acariciandote schimmerte an ihrem Handgelenk, die kleinen Figuren blitzten hell wie Diamanten.
Sie sanken auf dem Rasen vor dem großen Haus nieder.
Um sie herum lagen toten Gleiter zwischen glänzendem Metall. Jonathan kniete nieder und hob eine Bohrmaschine auf, deren Stahlspitze vom Feuer versengt war.
„Einen Kampf hat es jedenfalls gegeben.“
„Rex!“, rief
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