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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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ob ihr die Schlacht Spaß gemacht hätte. Selbst nach dem Todeskampf des Darklings war der übliche migränegeplagte Ausdruck nicht in Melissas Gesicht aufgetaucht. Sie schien sich von Tag zu Tag mehr zu verändern. Wurde sie irgendwie stärker?
    Er trat einen Schritt auf sie zu und sagte mit leiser Stimme:
    „Auf dem Weg hierher ist etwas in meinem Kopf angekommen.
    Hinweise. Wir hätten euch ohne sie nicht rechtzeitig gefunden.“
    „Ich weiß“, sagte sie schlicht.
    „Du hast sie da hinterlassen …“ Jonathan schluckte trocken. Sie waren meilenweit weg gewesen. „Du hast mir etwas ins Gehirn gelesen, stimmt’s?“
    Melissa schüttelte langsam den Kopf, ihr Gesichtsausdruck wurde weicher, als ob sie in Gedanken versunken wäre. „Das ist das Verrückte, Flyboy“, sagte sie ruhig. „Ich habe es geschmeckt, aber eins kannst du mir glauben: Ich war es nicht.“

memory lane
    0.16 Uhr morgens
20
    Dess trat in die Pedale, um ihr Rad voranzutreiben, wobei sie hoffte, dass die Batterien in der Frontlampe nicht komplett den Geist aufgaben, bevor sie es nach Hause geschafft hatte.
    Der kleine Lichtkegel, der vor ihr herzitterte, war von Anfang an ziemlich schwach gewesen und wurde immer schwächer wie Glöckchen nach dem vergifteten Kuchen. * Sie hätte sich vor ewigen Zeiten auf den Heimweg machen müssen; die Eltern würden ausflippen, weil sie nach Mitternacht unterwegs war.
    Trotzdem hatte sie heute gute Arbeit geleistet. Dess tätschelte den GPS-Empfänger durch ihren Mantel hindurch. Zum ersten Mal in dieser Woche fühlte sich ihr Kopf klar an, endlich war sie den Mahlstrom ihrer Träume losgeworden. Zum Schluss hatten die Gleichungen getan, was sie immer taten: zu Regeln und Mustern und Bedeutung geführt. Wieder einmal hatte ihr Verstand ihr die Antworten gegeben.
    Ein Schatten huschte über Dess’ Gesicht. Die Antworten …

    * Die Stelle bezieht sich auf die kleine fliegende Fee aus „Peter Pan“
    von J. M. Barrie; Anm. d. Übers.

    sie schienen jetzt zu verschwimmen. Sie erinnerte sich an irgendein Muster, das sich über Bixby erstreckte. Irgendwas zur Basis sechzig, es hatte mit Minuten und Sekunden zu tun.
    Aber warum fuhr sie nach Mitternacht hier draußen mit dem Fahrrad herum?
    Ihr Lächeln kehrte zurück. Keine Sorge. Das gewisse Desshat-es-mal-wieder-geschafft-Strahlen saß ziemlich genau in der Mitte ihrer Brust. Sie konnte sich nicht so ganz erinnern, was sie seit Verlassen der Schule getan hatte, aber das passte.
    Sie war abgelenkt gewesen, in der reinen Welt der Mathematik versunken. Und die Antworten waren verschwommen, weil man sich richtig komplizierte Lösungen manchmal mehrmals durch den Kopf gehen lassen musste, bis sie endgültig saßen.
    Was war noch mal der Trick dabei? Genau, das war es …
    „Lovelace“, sagte sie laut.
    Eine Tür öffnete sich in ihrem Gedächtnis, und der bittere Geschmack von Tee mit Milch lief in ihrem Mund zusammen.
    Sie erinnerte sich …
    „Mist.“ Die Lampe flackerte ein paar Sekunden.
    Das heruntergekommene Haus, das sich in der toten Zone duckte, die alte Frau, die geheime Geschichte von Bixby, die mit dem Sonnenuntergang aus ihr herausfloss. Aber wie jedes gute Geheimnis musste es Dess vor den anderen verbergen, besonders vor Melissa.
    Dann schlotterte sie in der zunehmenden Kälte, als ihr einfiel, was an ihr genagt hatte, aus welchem Grund sie die Erinnerungen vor zehn Minuten ausgeschaltet hatte, warum sie sie sogar vor sich selbst verbergen wollte.
    Madeleine war ihr anfangs schrullig und vielleicht ein bisschen abgedreht vorgekommen, aber allmählich immer unheimlicher geworden, fast wie … Melissa.

    Aber das war nicht fair. Die Frau hatte Dess mit ihrer Geschichte zwar einen tierischen Schrecken eingejagt, mit Melissa hatte sie aber keinerlei Ähnlichkeit. Zum einen hatte Bixby aus Madeleine keinen seelischen Krüppel gemacht. Irgendwie hatte sie die Gabe des Gedankenlesens behalten, ohne durchzudrehen. Sie war definitiv geistig gesund.
    Na ja, vielleicht doch nicht hundertprozentig gesund. Da war diese Sache mit den Klimaanlagen. Fernsehen, damit konnte Dess umgehen – Madeleine war nicht die erste ältere Person, die fast wie eine Verrückte auf dem Fernsehen herumhackte. (Bei dem Gedanken runzelte Dess die Stirn und überlegte, ob das Haus verkabelt war oder nicht. Noch ein Schauder lief ihr den Rücken hinunter – neunundvierzig Jahre drinnen eingesperrt ohne Discovery Channel.) Trotzdem konnte man nicht leugnen, dass aus Madeleine,

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