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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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eingekochten Zwiebeln erfüllte sie mit Erleichterung. Dieser Rachefeldzug war dann wohl doch nicht so ausgeklügelt gewesen.
    „Schmeckt köstlich.“
    Beth nickte. „Sag ich doch.“ Sie wandte sich wieder dem Topf zu. „Kann ich den Typen jetzt kennenlernen?“
    Jessica blinzelte. „Jonathan?“
    „Hm.“
    „Klar. Sicher. Hättest du heute. Er hat mich nach der Schule nach Hause gefahren.“ Bei den letzten Worten tauchte kurzfristig Ernesto Grayfoots Bild vor ihr auf, aber Jessica schob es beiseite, weil sie sich die Stimmung nicht verderben lassen wollte.
    „Wenn er das nächste Mal vorbeikommt, sag ihm, er soll Hallo sagen. Falls ich nicht gerade in einem Schrank eingesperrt bin oder so.“
    Sie lächelte. „Mach ich, Beth.“ Endlich verziehen.
    Das Geräusch von klappernden Schlüsseln ertönte an der Eingangstür und beendete das Thema. Jessica spürte es aber zwischen ihnen – doch noch ein gemeinsames Geheimnis.
    Näher kommende Schritte verharrten an der Küchentür, und Jessica freute sich über den verblüfften Gesichtsausdruck ihrer Mutter. Aus einer Einkaufstüte in ihrem Arm ragten Selleriestangen, die auf ein geplantes Essen hinwiesen, das ihre Mutter jetzt wohl eilig aus ihrem Kopf verbannte.
    „Oh … ich habe …“
    „ Nicht auf die Arbeitsplatte.“
    Jessica nahm ihrer Mutter die beleidigenden Einkäufe ab und brachte sie im Wohnzimmer in Sicherheit.
    „Mom, könnte ich diesen Freitag bei Dess übernachten?“
    „Wer ist Dess?“

    Beth wandte sich von ihrem Kochtopf ab. „Du hast eine Freundin, die Dess heißt, Jess?“
    „Stimmt, klingt ziemlich blöde“, sagte sie grinsend. „Eigentlich heißt sie Desdemona. Sie geht mit mir in den Trigonometriekurs, und es wäre wirklich spitze, wenn wir zusammen sein und, du weißt schon, lernen könnten.“ Jessica stützte sich mit beiden Ellenbogen auf den Küchentisch und lächelte, wobei sie sich fragte, ob ihre Betonung auf dem vorletzten Wort übertrieben geklungen hatte. Wenn man bei ihrer Mutter Schuldgefühle wecken wollte, funktionierte der Trick mit dem Lernen am besten. Es war ihre Idee gewesen, Jessica nach dem Umzug in lauter Kursen für Fortgeschrittene unterzubringen.
    Aber die nüchterne Technikerseite ihrer Mutter überwog.
    „Warst du nicht schon am Sonntag zum Lernen bei Rex?“
    „Doch, das war Geschichte.“
    „Stimmt, aber damit hast du deinen freien Tag schon verbraucht, Jessica.“
    „Nein, ,Geschichte‘ war, wie der Name schon sagt, letzte Woche.“
    „Ich dachte, dein Vater hätte gesagt, das wäre für diese Woche.“ Sie deutete auf den Kalender an der Küchenwand, wo die Woche am Sonntag anfing und am Samstag aufhörte.
    Jessica schielte ihn an. „Kann nicht sein! Sonntag ist Wochenende, also war die Woche da zu Ende, und jetzt ist diese Woche.“
    Ihre Mutter machte den Mund auf, es kam aber nur ein erschöpfter Seufzer heraus. Sie breitete die Arme aus. „Okay.“
    Jessica spürte einen Vorwärtsruck im Bauch, als ob sie in einem Auto sitzen würde, das zu heftig bremste, und ihre Argumente purzelten übereinander wie nicht angeschnallte Kids auf dem Rücksitz. (Erstes Gesetz der Bewegung, informierte sie ihr neuer Physiklappen.) Beth wandte sich von ihren Töpfen ab und warf ihr einen stahlharten Blick zu. In Chicago hätte Mom bei einer solchen Frage nie so schnell nachgegeben. Damals gab es noch keine langen Arbeitstage bei Aerospace Oklahoma, die sie erschöpften. Statt eines Triumphgefühls empfand Jessica nur Mitleid.
    Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Au prima. Cool. Und wie geht’s dir bei der Arbeit?“
    Ein leiser Seufzer. „Arbeitsam.“
    „Mehr nicht? Komm schon, Mom. Du hältst dich da fast zwölf Stunden täglich auf. Da muss es doch was zu erzählen geben.“ Jessica sah sie fragend an. „Wie kommt ihr mit der Landebahn voran?“
    Ihre Mutter sah etwas verwirrt auf. „Die Landebahn?“
    „Ja, bist du da nicht in irgendeinem Ausschuss?“ Jessica versuchte, beiläufig zu klingen, als ob sie sich ständig über Notlandebahnen unterhalten würde. „Die Kids in der Schule haben davon erzählt“ – technisch gesehen keine Lüge – „dass einige Leute in der Stadt nicht wollen, dass ihr sie baut.“
    Ihre Mutter nickte müde, dann lehnte sie sich an die Küchenwand. „In der Schule auch? Mein Gott. Wir haben uns den ganzen Tag damit rumgeschlagen. Plötzlich dreht die ganze Stadt wegen diesem Ding durch. Ich dachte, die Arbeit in dem Ausschuss wäre ein

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