Das Echo aller Furcht
Menschen fehlte auch ihr die Zeit, und sie schob die Untersuchung bei einem Kollegen vom Wilmer-Institut immer wieder hinaus. Ganz schön dumm, gestand sie sich. Ihre Augen waren noch recht hübsch. Wenigstens hatte sich ihre Farbe nicht geändert, auch wenn die diffizile Arbeit in ihrem Beruf zu einer refraktiven Abweichung geführt haben mochte.
Sie war auch noch recht schlank. Ein, zwei Kilo weniger konnten nicht schaden – am liebsten hätte sie sie auf ihre Brüste übertragen. Sie stammte aus einer Familie, wo die Frauen oben herum nicht stark gebaut waren, und lebte in einer Welt, die Busenwunder verehrte. Ihr Witz, die Größe des Busens sei der Gehirnmasse umgekehrt proportional, war ein reiner Verteidigungsmechanismus. So wie Männer sich einen größeren Penis wünschten, hätte sie gerne dickere Brüste gehabt, aber Gott oder die Gene hatten ihr diese verweigert. Und Implantate kamen wegen der Nebenwirkungen überhaupt nicht in Frage.
Und ansonsten... ihr Haar sah wie üblich wüst aus, aber damit mußte sie sich als Chirurgin abfinden. Es war immer noch blond, fein und kurz, und wenn Jack sich einmal die Zeit zum Hinsehen nahm, gefiel es ihm. Hübsche Beine hatte sie schon immer gehabt, und da sie in der Klinik viel zu laufen hatte, waren sie sogar noch etwas fester geworden. Cathy war also durchaus noch eine recht attraktive Erscheinung. Zumindest waren ihre Kollegen in der Klinik dieser Ansicht. Sie bildete sich sogar ein, daß manche ihrer älteren Studenten sie anhimmelten. Es drückte sich jedenfalls keiner vor ihren Visiten.
Außerdem war sie eine gute Mutter. Auch wenn Sally und der kleine Jack schliefen, schaute sie immer nach ihnen. Gerade weil der Vater so selten daheim war, füllte Cathy die Lücke und spielte sogar, wenn Saison war, mit ihrem Sohn T-Ball, eine Vorstufe des Baseballspiels (das bereitete Jack, wenn er davon erfuhr, Schuldgefühle). Sie war eine gute Köchin, sofern sie Zeit dazu hatte. Was im Haus getan werden mußte, erledigte sie entweder selbst oder »delegierte« es, wie Jack sich auszudrücken pflegte.
Sie liebte ihren Mann immer noch und zeigte es ihm auch. Sie fand, daß sie Sinn für Humor hatte und sich nicht so schnell die Laune verderben ließ. Sooft sich die Gelegenheit bot, berührte sie Jack mit zärtlichen Gesten. Sie unterhielt sich mit ihm, fragte ihn nach seiner Meinung, gab ihm zu verstehen, daß er ihr nicht gleichgültig war. Er konnte also nicht bezweifeln, daß er in jeder Hinsicht ihr Mann war. Und sie liebte ihn auch in jeder Hinsicht. Cathy kam zu dem Schluß, daß sie nichts falsch machte.
Warum konnte er dann nicht?
Die Miene, die sie im Spiegel sah, war eher verwirrt als verletzt. Was kann ich denn sonst noch tun? fragte sie sich.
Nichts.
Cathy versuchte, diese Gedanken zu verdrängen. Ein neuer Tag begann. Sie mußte die Kinder für die Schule fertig machen; das Frühstück hatte also auf dem Tisch zu stehen, ehe sie aufwachten. Das war natürlich nicht fair. Sie hatte ihren Beruf als Chirurgin und Professorin, hatte aber auch ihre Mutterpflichten, die ihr Mann ihr zumindest am Beginn eines Arbeitstags nicht abnahm. Von wegen Emanzipation, dachte sie, schlüpfte in ihren Morgenmantel und ging in die Küche. Zum Glück mochten beide Kinder süßen Instant-Haferbrei. Sie brachte Wasser zum Kochen, stellte dann auf kleine Flamme und ging die Kinder wecken. Zehn Minuten später waren Sally und der kleine Jack gewaschen, angezogen und auf dem Weg zur Küche. Sally erschien zuerst und stellte den Disney-Kanal ein; dort trieben die Mäuse Frühsport. Cathy hatte für ein paar Minuten ihre Ruhe, schaute in die Morgenzeitung und trank Kaffee.
Rechts unten auf der Titelseite stand ein Artikel über Rußland. Vielleicht ist auch das ein Thema, das Jack belastet, dachte sie und beschloß, die Story zu lesen. Vielleicht konnte sie mit ihm darüber sprechen und herausfinden, warum er so ... geistesabwesend war.
»... enttäuscht über die Unfähigkeit der CIA, verläßliche Daten zu diesem Problem zu liefern. Gerüchte, daß ein hoher CIA-Beamter in dem Verdacht steht, sich finanzieller Unregelmäßigkeiten und auch unsittlichen Verhaltens schuldig gemacht zu haben, wurden von einem hohen Regierungsvertreter bestätigt. Der Name des Betreffenden wurde nicht genannt, aber es handelt sich dem Vernehmen nach um einen sehr hochgestellten Mann, der Informationen koordiniert und an die Regierung weiterleitet ...«
Unsittliches Verhalten? Was sollte das
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