Das Echo aller Furcht
Russell mit einer Geste. »Wir mußten Ersatz ranschaffen.«
»Davon hat mir niemand etwas gesagt«, meinte der Beamte.
»Davon hab’ ich auch erst gestern abend um sechs erfahren. Wir mußten das verdammte Ding von Omaha rüberkarren.« Russell winkte vage mit seinem Blockhalter. Ghosn wagte kaum zu atmen.
»Warum hat man es nicht eingeflogen?«
»Weil Federal Express sonntags nicht arbeitet und weil der Brocken nicht durch die Tür des Learjets paßt. Aber wissen Sie, ich beklage mich nicht. Ich bin in Chicago Techniker beim Sender und kriege für diesen Job das Dreieinhalbfache meines Lohns – von wegen Sonntagsüberstunden, Reisezuschlag und so weiter.«
»Klingt anständig«, meinte der Polizist.
»Dabei kommt für mich mehr raus als sonst in der ganzen Woche. Reden Sie ruhig weiter.« Russell grinste. »Im Augenblick verdiene ich nämlich 1,25 Dollar pro Minute.«
»Sie müssen eine starke Gewerkschaft haben.«
»Stimmt.« Marvin lachte.
»Wissen Sie, wohin Ihre Ladung soll?«
»Klar, Sir.« Russell fuhr an. Ghosn atmete erleichtert auf, als der Wagen sich wieder bewegte. Er hatte alles mitbekommen und eine Katastrophe befürchtet.
Dawkins sah dem Transporter nach, schaute auf die Uhr und machte sich eine Notiz auf seinem Blockhalter. Aus unerfindlichen Gründen wollte der Captain wissen, wer wann eintraf. Dawkins kam das überflüssig vor, aber Captains hatten manchmal einfach unsinnige Ideen. Erst nach einer Weile ging ihm auf, daß der Wagen in Colorado zugelassen war. Seltsam, dachte er, als ein schwerer Lincoln vorfuhr. Dieses Fahrzeug stand auf seiner Liste; es brachte den Vorsitzenden der American Conference der NFL. Wahrscheinlich kommen die VIPs früher, dachte Dawkins, damit sie es sich in ihren Logen gemütlich machen und eher zu saufen anfangen können. Er hatte am Vorabend beim Empfang des FNL-Vorsitzenden Dienst geschoben und mit angesehen, wie sich alle reichen Clowns des Staates mit diversen Politikern und anderen VIPs – alles Arschlöcher, dachte der junge Beamte – aus ganz Amerika einen angedudelt hatten. F. Scott Fitzgerald hatte doch recht, dachte er: Sehr Reiche sind in der Tat anders als du und ich.
Russell hielt 200 Meter weiter, zog die Handbremse an und ließ den Motor laufen. Das Spiel sollte um 16.20 Uhr Ortszeit beginnen. Ghosn kniete hinten vor dem Timer. Er ging davon aus, daß der Anpfiff, der bei so wichtigen Begegnungen immer verspätet erfolgt, um halb fünf kam. Der Zeitpunkt der Detonation war schon vor Wochen eingestellt worden: 17.00 Uhr Rocky-Mountain-Standardzeit, exakt zur ersten vollen Stunde nach Spielbeginn.
Die Sicherung der Zündeinrichtung war recht primitiv. An den Luken waren Klammern angebracht, aber für komplexe Vorrichtungen war keine Zeit mehr gewesen. Um so besser, dachte Ghosn, denn der böige Nordwestwind ließ das Fahrzeug schaukeln und hätte einen empfindlichen Kippschalter womöglich ausgelöst.
Was das betraf, erkannte er erst jetzt, hätte nur das Zuschlagen einer Fahrzeugtür ... Was hast du sonst noch nicht bedacht? fragte sich Ghosn und ging dann rasch alle seine Arbeitsschritte durch. Alles war mehr als hundertmal geprüft worden. Alles war bereit. Selbstverständlich war es bereit. Hatte er sich monatelang sorgfältig auf diesen Augenblick vorbereitet?
Der Ingenieur prüfte zum letzten Mal seine Testschaltungen. Sie funktionierten einwandfrei, und die Kälte hatte den Ladungszustand der Batterien nicht zu sehr beeinträchtigt. Nun schloß er die Kabel an den Zeitzünder an – oder versuchte das zumindest. Seine Hände waren steif von der Kälte und zitterten, weil er nervös war. Ghosn hielt innc, sammelte sich kurz und hatte beim zweiten Mal Erfolg. Zuletzt zog er die Muttern fest.
Damit, entschied er, war es getan. Ghosn schloß die Luke, aktivierte die simple Sicherung und wich von dem Apparat, der nun eine scharfe Bombe war, zurück.
»Fertig?« fragte Russell.
»Ja, Marvin«, antwortete er leise und kletterte auf den Beifahrersitz.
»Dann verschwinden wir.« Marvin wartete, bis der jüngere Mann ausgestiegen war, und verriegelte dann die Beifahrertür. Anschließend sprang er heraus und schloß das Fahrzeug ab. Sie gingen nach Westen, vorbei an den großen Übertragungswagen mit den riesigen Parabolantennen. Die müssen Millionen gekostet haben, dachte Marvin, und bald werden alle ruiniert sein, zusammen mit den Scheißern vom Fernsehen, die aus dem Tod meines Bruders einen Medienzirkus gemacht haben, eine
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