Das Echo aller Furcht
Versorgungsschiffen saßen, Signale über Kabel oder Satellit. Amerika hatte zu diesem Zeitpunkt 36 Raketen-U-Boote im Dienst, und von diesen waren 19 in See – auf »Abschreckungspatrouille«, wie man das nannte. Zwei wurden generalüberholt und standen daher nicht zur Verfügung. Der Rest lag mit Ausnahme von USS Ohio , das sich in Bangor in einem überdachten Dock befand, längsseits seiner Versorgungsschiffe. Alle hatten reduzierte Mannschaften an Bord, keines aber an diesem Sonntagabend seinen Kommandanten. Das machte nichts, denn alle strategischen Boote hatten zwei Besatzungen, und in jedem Fall war einer der beiden kommandierenden Offiziere höchstens 30 Autominuten von seinem Boot entfernt. Alle trugen Rufgeräte bei sich, die fast gleichzeitig lospiepten. Die Crews an Bord begannen die Boote sofort klar zum Auslaufen zu machen. Auf jedem Boot hatte der Offizier vom Dienst eine strenge Prüfung bestehen müssen, ehe er als »fürs Kommando qualifiziert« galt. Der Einsatzbefehl war klar: Wenn ein solcher Alarm einging, mußten sie so schnell wie möglich auslaufen. Die meisten Offiziere hielten das DEFCON-2 für eine Übung, aber bei den strategischen Kräften sind Übungen eine ernste Angelegenheit. Schon ließen Schlepper ihre Dieselmaschinen anlaufen, um die schiefergrauen Boote von ihren Versorgungsschiffen zu bugsieren. Deckmannschaften machten Sicherheitsleinen und Stützen los; Männer, die sich auf den Versorgungsschiffen aufgehalten hatten, kletterten über Leitern hinunter zu ihren Booten. An Bord schauten Offiziere und ihre Helfer auf den Dienstplan, um festzustellen, wer anwesend war und wer nicht. Wie alle Kriegsschiffe waren diese strategischen Boote überbemannt und konnten, falls erforderlich, ohne weiteres mit einer halben Crew auslaufen und operieren. DEFCON-2 bedeutete, daß dies angesagt war.
Captain Rosselli und der Stab im NMCC alarmierten die konventionellen Streitkräfte. Man brauchte nur auf Band aufgezeichnete Befehle an die individuellen Einheiten weiterzugeben: im Fall der Army an die Divisionen, bei der Luftwaffe und der Marine an die Geschwader. Die konventionellen Streitkräfte gingen auf DEFCON-2. Captain Rosselli und Colonel Barnes verständigten höhere Befehlsebenen telefonisch. Selbst Dreisternegenerälen mit 25jähriger Dienstzeit mußten sie jedesmal versichern: Nein, Sir, das ist, ich wiederhole, keine Übung.
Überall auf der Welt wurden amerikanische Einheiten in Alarmbereitschaft versetzt. Wie zu erwarten war, reagierten an hohe Bereitschaftsstufen gewöhnte Einheiten am raschesten. Zu ihnen gehörte die in Berlin stationierte amerikanische Panzerbrigade.
37
Menschliche Reaktionen
»Captain, Alarmmeldung über ELF.«
»Wie bitte?« fragte Ricks und wandte sich vom Kartentisch ab.
»Hier ist der Spruch, Captain.« Der Kommunikationsoffizier überreichte ihm das Blatt mit der kurzen Codegruppe.
»Ausgerechnet jetzt eine Übung.« Ricks schüttelte den Kopf und sagte: »Auf Gefechtsstationen.«
Ein Maat schaltete sofort die Bordsprechanlage ein und machte die Durchsage. »Alarm, Alarm, alle Mann auf Gefechtsstation.« Als nächstes kam ein elektronisches akustisches Signal, das auch die fesselndsten Träume unterbrach.
»Mr. Pitney«, rief Ricks über das Getöse. »Antennentiefe.«
»Aye, Captain. Tauchoffizier: Gehen Sie auf 20 Meter.«
»20 Meter, aye. Rudergänger: Vordere Tiefenruder an zehn.«
»Vorne an zehn, aye.« Der junge Rudergänger zog das Steuer, das dem Knüppel in einem Flugzeug ähnelte, zurück. »Sir, meine Tiefenruder sind an zehn.«
»Recht so.«
Kaum war der Befehl ausgeführt worden, strömten Männer in die Zentrale. Der Chief – Maines ranghöchster Mannschaftsgrad – ging an der Tauchkonsole auf Station. Lieutenant Commander Claggett kam herein, um den Captain zu unterstützen. Pitney, der Navigator, war bereits auf seinem Posten und überwachte die Steuerung. Verschiedene Mannschaftsgrade nahmen ihre Plätze an den Waffenkonsolen ein. Achtern fanden sich Offiziere und Matrosen in der Raketenzentrale MCC, wo der Status der 24 Trident-ICBM überwacht wurde, und im Hilfsmaschinenraum ein, von wo aus der Notdiesel gesteuert wurde.
In der Zentrale sagte der für die interne Kommunikation zuständige Mann die Namen der Abteilungen an, die sich als bemannt und klar meldeten.
»Was ist los, Captain?« fragte Claggett. Ricks reichte ihm nur den Zettel mit dem Alarmcode.
»Eine Übung?«
»Vermutlich. Warum auch nicht?«
Weitere Kostenlose Bücher