Das Echo aller Furcht
fragte Ricks. »Es ist Sonntag, nicht wahr?«
»Ist oben noch schwere See?«
Wie auf ein Stichwort hin begann Maine zu schlingern. Als der Tiefenmesser 89 Meter anzeigte, bekam das mächtige U-Boot jäh 10 Grad Schlagseite. In allen Abteilungen verdrehten die Männer die Augen und murrten. Es gab kein Besatzungsmitglied, das sich nicht schon einmal erbrochen hatte. In diesem engen, fensterlosen Raum, wo alle äußeren Bezugspunkte fehlen, wurde man sehr leicht seekrank, denn das Auge nahm keine Bewegung wahr, wohl aber das Innenohr. Dieser Effekt, unter dem auch fast alle Apollo-Astronauten gelitten hatten, traf nun auch die Seeleute. Unwillkürlich schüttelten sie heftig die Köpfe, als verscheuchten sie ein lästiges Insekt, und hofften alle miteinander, daß das Boot so bald wie möglich wieder in 122 Meter Tiefe zurückkehrte, wo seine Bewegung nicht wahrnehmbar war und wo es hingehörte. Den Grund für das Manöver kannte bisher nur Ricks.
»20 Meter, ausgependelt, Sir.«
»Recht so«, erwiderte Pitney.
»Zentrale, hier Sonar. Kontakt Sierra-16 verloren. Ging im Oberflächenlärm unter.«
»Was war seine letzte Position?« fragte Ricks.
»Letzte Peilung zwei-sieben-null, geschätzte Distanz 27 Meilen«, erwiderte Fähnrich Shaw.
»Gut. UHF-Antenne und Periskop ausfahren«, befahl Ricks dem Steuermannsmaat. Maine schlingerte nun um 20 Grad, und der Captain wollte sehen, warum. Der Steuermannsmaat drehte an dem rotweißen Rad, und hydraulische Kraft ließ den geölten Zylinder zischend aufsteigen.
»Donnerwetter«, sagte der Captain, als er die Hände an den Griffen hatte, denn er konnte bis hier unten spüren, wie heftig die Seen auf das aufgetauchte Oberteil des Instruments einschlugen. Er bückte sich und schaute ins Okular.
»UHF-Signal geht ein«, meldete der Kommunikationsoffizier.
»Sehr gut«, sagte Ricks. »Leute, ich würde sagen, wir haben zehn Meter hohe Seen, zum Teil Brecher. Na, wenn’s sein muß, rauschen wir auch da durch«, fügte er im Scherz hinzu. Es war ja nur eine Übung.
»Wie sieht der Himmel aus?« fragte Claggett.
»Bedeckt – keine Sterne.« Ricks richtete sich auf und klappte die Griffe hoch. »Periskop einfahren.« Er wandte sich an Claggett. »IA, versuchen wir so bald wie möglich, unseren Freund wieder aufzufassen.«
»Aye, Captain.«
Ricks wollte schon den Hörer abnehmen und den Leuten in der Raketenzentrale befehlen, die Übung so rasch wie möglich zu beenden, doch da kam der Kommunikationsoffizier herein.
»Captain, das ist keine Übung.«
»Was soll das heißen?« Ricks merkte, daß der Lieutenant gar nicht froh aussah.
»DEFCON-2, Sir«, meldete der Mann und gab Ricks den Befehl.
»Was?« Ricks überflog die knappe und eiskalt sachliche Meldung. »Was geht hier vor?« Er reichte den Bogen an Dutch Claggett weiter.
»DEFCON-2? Auf dieser Alarmstufe waren wir noch nie, seit ich dabei bin... An ein DEFCON-3 kann ich mich erinnern, aber da war ich noch an der Marineakademie...«
Die Männer in der Zentrale tauschten Blicke. Das amerikanische Militär hat fünf Alarmstufen, die von fünf bis eins numeriert sind. DEFCON-5 bedeutete normale Operationen im Frieden. 4 war etwas höher und verlangte die verstärkte Bemannung bestimmter Posten; es blieben also mehr Leute, vorwiegend Piloten und Soldaten, in der Nähe ihrer Flugzeuge oder Panzer. DEFCON-3 bezeichnete eine sehr viel ernstere Lage; an diesem Punkt hatten sich alle Einheiten voll einsatzbereit zu halten. Bei DEFCON-2 begannen sie in Stellung zu gehen; diese Alarmstufe galt nur bei unmittelbarer Kriegsgefahr. In DEFCON-1 waren die amerikanischen Streitkräfte noch nie versetzt worden. Diese Stufe bedeutete, daß Krieg nicht länger nur drohte; man lud und richtete die Waffen und wartete auf den Feuerbefehl.
Doch das ganze DEFCON-System war willkürlicher eingerichtet, als man glaubt. U-Boote operierten normalerweise auf einer höheren Alarmstufe. Auf strategischen Booten, die immer bereit sein müssen, ihre Raketen binnen Minuten abzuschießen, galt effektiv immer DEFCON-2. Die Nachricht von FLTSATCOM machte das nur offiziell und sehr viel ominöser.
»Was kam noch?« fragte Ricks den Kommunikationsoffizier.
»Das ist alles, Sir.«
»Gingen keine Nachrichten ein? Existiert irgendwo eine Bedrohung?«
»Sir, wir empfingen gestern die übliche Nachrichtensendung. Die nächste wollte ich in fünf Stunden auffangen, damit wir das Ergebnis der Supcrbowl erfahren.« Der Lieutenant machte eine Pause.
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