Das Echo aller Furcht
getötet werden sollen, wäre das längst passiert. Welches Unglück war ihm je erspart geblieben?
Am nächsten Tag bekamen die Journalisten endlich etwas zu beißen. Am hellen Tag traf Dimitrios Stavarkos, der Patriarch von Konstantinopel, mit dem Auto ein – Hubschrauber benutzte er grundsätzlich nicht.
»Eine Nonne mit Bart?« fragte ein Kameramann am eingeschalteten Mikrofon, als er die Gestalt mit dem Zoom heranholte. Die Schweizergarde stand Spalier, und Bischof O’Toole geleitete den Gast in den Vatikan.
»Muß ein griechisch-orthodoxer Bischof sein«, merkte ein Koordinator sofort an. »Was tut der hier?«
»Was wissen wir über die griechisch-orthodoxe Kirche?« fragte sein Produzent.
»Sie hat mit dem Papst nichts zu tun und gestattet den Priestern zu heiraten. Einen von ihnen steckten die Israelis ins Gefängnis, weil er den Arabern Waffen beschaffte«, kommentierte ein anderer über die Leitung.
»Die Griechen vertragen sich also mit den Arabern, aber nicht mit dem Papst? Wie stehen sie sich mit den Israelis?«
»Keine Ahnung«, gestand der Produzent. »Da sollten wir uns mal schlaumachen.«
»Jetzt sind also vier Konfessionen beteiligt.«
»Spielt der Vatikan mit, oder stellt er nur den neutralen Verhandlungsort?« fragte der Koordinator, der wie die meisten seiner Kollegen am überzeugendsten wirkte, wenn er seinen Text vom Teleprompter ablas.
»Hat es denn hier jemals so etwas gegeben? Wer einen neutralen Ort braucht, der geht nach Genf«, bemerkte der Kameramann, der eine Vorliebe für Genf hatte.
»Was tut sich?« Eine Rechercheurin betrat die Kabine und wurde vom Produzenten informiert.
»Wo steckt diese Expertin?« grollte der Koordinator.
»Könnten Sie das Band zurückspulen?« fragte die Rechercheurin. Die Studiotechniker begannen damit, und sie ließ auf Standbild schalten.
»Dimitrios Stavarkos, Patriarch von Konstantinopel, das Sie unter seinem modernen Namen Istanbul kennen, Rick. Er ist das Oberhaupt aller orthodoxen Kirchen, also eine Art Papst. Die orthodoxen Kirchen in Griechenland, Rußland und Bulgarien haben zwar ihre eigenen Oberhäupter, unterstehen aber dem Patriarchen.«
»Stimmt es, daß orthodoxe Priester heiraten dürfen?«
»Ja, die Priesterehe existiert, aber vom Bischof an aufwärts gilt das Zölibat.«
»Das ist die Härte«, kommentierte Rick.
»Stavarkos führte im letzten Jahr den Kampf mit den Katholiken um die Weihnachtsmesse in Bethlehem und gewann, wenn ich mich recht entsinne. Das haben ihm einige katholische Bischöfe nicht verziehen. Was will er in Rom?«
»Das sollen Sie uns sagen, Angie!« versetzte der Koordinator giftig.
»Immer mit der Ruhe, Rick.« Angie Miriles hatte wenig Lust auf die Allüren dieser seichten TV-Primadonna. Sie schlürfte zwei Minuten lang ihren Kaffee und verkündete dann: »Ich glaube, ich weiß, was hier gespielt wird.«
»Wären Sie so gut, uns einzuweihen?«
»Willkommen!« Kardinal D’Antonio küßte Stavarkos auf beide Wangen, obwohl er sich vor dessen Bart ekelte. Der Kardinal geleitete den Patriarchen in den Konferenzsaal, wo sechzehn Personen an einem Tisch saßen. Stavarkos nahm den leeren Platz am Ende ein.
»Wir sind dankbar, daß Sie uns Gesellschaft leisten«, sagte Minister Talbot.
»Eine solche Einladung schlägt man nicht aus«, erwiderte der Patriarch.
»Haben Sie den Vertragsentwurf gesehen?« Das Dokument war per Kurier zugestellt worden.
»Er ist sehr ehrgeizig«, räumte Stavarkos vorsichtig ein.
»Sind Sie mit Ihrer Rolle in dem Abkommen einverstanden?«
Das ging dem Patriarchen viel zu schnell. Andererseits – »Ja«, antwortete er schlicht. »Ich verlange absolute Verfügungsgewalt über alle christlichen Reliquienschreine im Heiligen Land. Wird diese konzediert, trete ich dem Abkommen mit Freuden bei.«
D’Antonio rang um Fassung, atmete durch und flehte hastig um Gottes Intervention. Später wußte er nicht zu sagen, ob sie ihm zuteil wurde oder nicht.
»Für solche Pauschalforderungen sind die Verltandlungen wohl zu weit fortgeschritten.« Man wandte die Köpfe. Der Einwand kam von Dmitrij Popow, dem Ersten Stellvertretenden Außenminister der Sowjetunion. »Zudem ist der Versuch der einseitigen Vorteilsnahme angesichts der großen Konzessionen, die hier von allen gemacht wurden, rücksichtslos. Wollen Sie nur auf dieser Basis einer Übereinkunft im Weg stehen?«
Derart direkte Zurechtweisungen war Stavarkos nicht gewohnt.
»Die Frage der christlichen Heiligtümer
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