Das Echo aller Furcht
Konferenzsaal mit dem langen Tisch. Am Kopfende saß der Papst, und vor ihm lag eine Mappe aus rotem Kalbsleder – kein Reporter sollte je von der momentanen Panik erfahren, die ausgebrochen war, als jemandem klarwurde, daß er nicht wußte, aus welcher Tierhaut die Mappe gemacht war, und sich beim Hersteller erkundigen mußte; zum Glück hatte niemand Einwände gegen Leder vom jungen Rind.
Man war übereingekommen, in Rom auf eine öffentliche Erklärung zu verzichten. Erste Verlautbarungen sollten in den Hauptstädten der beteiligten Länder gemacht werden; die wahrhaft blumigen Reden für die Unterzeichnungszeremonien wurden noch verfaßt. Ein Sprecher des Vatikans verteilte eine schriftliche Presseerklärung an alle TV-Korrespondenten. Es sei der Entwurf eines Vertrages zur Beendigung des Nahostkonflikts ausgehandelt worden, der nun von den Vertretern der beteiligten Nationen paraphiert werden könne. Das endgültige Vertragswerk würden die Regierungschefs und/oder ihre Außenminister in einigen Tagen unterzeichnen. Weder der Text des Vertrages noch seine Bedingungen seien zur Veröffentlichung freigegeben. Eine unangenehme Botschaft für die Korrespondenten, die erkannten, daß die Einzelheiten des Abkommens in den jeweiligen Hauptstädten an die Öffentlichkeit gebracht und somit von anderen Reportern gemeldet würden.
Die rote Mappe wurde weitergereicht. Laut Presseerklärung des Vatikans war die Reihenfolge der Paraphierung durch das Los bestimmt worden. Es stellte sich heraus, daß die Israelis den Anfang machten, gefolgt von den Vertretern der Sowjetunion, der Schweiz, der USA, Saudi-Arabiens und des Vatikans. Jeder benutzte einen Füllfederhalter, und der Priester, der die Mappe von Platz zu Platz trug, sicherte die Unterzeichnung mit einem Löscher. Die simple Zeremonie war rasch vorbei. Anschließend schüttelte man sich die Hand und spendete sich gegenseitig Applaus. Und das war es dann.
»Mein Gott«, sagte Ryan, der am Fenster saß und einen Blick auf den Vertragsentwurf warf, den er per Fax erhalten hatte. Er unterschied sich kaum von seinem ursprünglichen Konzept. Zwar hatten die Saudis wie auch die Israelis, Sowjets, Schweizer und die USA Veränderungen angebracht, aber das Ganze basierte auf seinem Einfall – mit der Einschränkung, daß er die Gedanken einer Vielzahl anderer geborgt hatte. Wahrhaft originelle Ideen sind selten. Ryan hatte lediglich Vorstellungen in ein System gebracht und seine Anregung im historisch richtigen Moment ausgesprochen. Dennoch war dies der stolzeste Augenblick in seinem Leben. Schade nur, daß ihm niemand gratulierte.
Im Weißen Haus saß die beste Redenschreiberin des Präsidenten bereits an der Rohfassung seiner Ansprache. Fowler würde bei der Zeremonie eine Vorrangstellung haben, weil er den Prozeß ausgelöst und die Konferenzteilnehmer mit seiner Rede vor der UN-Vollversammlung in Rom zusammengebracht hatte. Auch der Papst würde eine Rede halten – ach was, alle werden sprechen, überlegte die Redenschreiberin. Für sie war das ein Problem, weil jede Rede originell sein mußte und nicht gerade das enthalten sollte, was der Vorredner gesagt hatte. Sie erkannte, daß sie wahrscheinlich noch auf dem Flug über den Atlantik in der VC-25A eifrig auf ihren Laptop einhacken mußte, aber dafür wurde sie schließlich bezahlt, und Air Force One war auch mit einem Laserdrucker ausgerüstet.
Im Oval Office sah der Präsident seinen hastig revidierten Terminkalender durch. Enttäuschung für eine Pfadfindergruppe, die Käsekönigin von Wisconsin und viele Geschäftsleute, deren Bedeutung in ihrem begrenzten Wirkungskreis verblaßte, sobald sie durch die Seitentür die Werkstatt des Präsidenten betraten. Die für seinen Terminkalender verantwortliche Sekretärin war schon am Telefon, hatte nur noch den allerwichtigsten Besuchern Termine für die paar freien Minuten in den nächsten sechsunddreißig Stunden gegeben. Das würden für den Präsidenten hektische anderthalb Tage werden, aber auch das gehörte zu seinem Job.
»Na?« Fowler hob den Kopf und erblickte Elizabeth Elliot, die ihn durch die Vorzimmertür angrinste.
Na, jetzt bist du endlich am Ziel, dachte sie. Du wirst für immer als der Präsident gelten, der die Nahostfrage ein für allemal gelöst hat. Vorausgesetzt – räumte Liz in einer seltenen Anwandlung von Objektivität ein –, daß auch alles klappt, was man bei einer solchen Kontroverse nicht einfach voraussetzen
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