Das Echo aller Furcht
Zwischenfall mit dem griechischen Polizisten.
»Er hat ihm den Hals gebrochen?« Der Mann war also zumindest kein Spitzel ... vorausgesetzt, der Grieche war tatsächlich tot und sie hatten es nicht mit einer raffinierten List der Amerikaner, Griechen oder Israelis zu tun.
»Ja, wie einen dürren Zweig.«
»Hat er Kontakte in Amerika?«
»Nur wenige. Die Bundespolizei fahndet nach ihm, weil er drei ihrer Agenten getötet hat, wie er behauptet. Sein Bruder wurde in einen Hinterhalt gelockt und erschossen.«
»In der Wahl seiner Feinde ist er ehrgeizig. Schulbildung?«
»Kaum der Rede wert, aber der Mann ist schlau.«
»Besondere Fähigkeiten?«
»Nur wenige, mit denen wir etwas anfangen können.«
»Immerhin ist er Amerikaner«, betonte Kati. »So einen hatten wir noch nie.«
Ghosn nickte. »Stimmt, Kommandant.«
»Wie groß ist die Chance, daß er ein Spitzel ist?«
»Gering, schätze ich, aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein.«
»Wie auch immer – ich habe einen Auftrag für Sie.« Kati berichtete von der Bombe.
»Schon wieder eine?« Ghosn war ein fähiger, aber nicht unbedingt begeisterter Sprengstoffexperte. »Ja, ich kenne den alten Narren und sein Haus. Und ich weiß, daß Sie etwas für seinen Sohn übrig haben, diesen Krüppel.«
»Dieser Krüppel hat einem Kameraden das Leben gerettet. Fazi wäre verblutet, wenn er nicht in diesem kleinen Laden Zuflucht gefunden hätte. Der Sohn des Bauern riskierte dabei allerhand, denn zu dieser Zeit waren wir bei den Syrern sehr unbeliebt.«
»Na gut, ich habe heute ohnehin nichts mehr zu tun. Ich brauche einen Laster und ein paar Männer.«
»Sagten Sie nicht, der neue Freund sei stark? Nehmen Sie ihn mit.«
»Wie Sie meinen, Kommandant.«
»Und seien Sie vorsichtig!«
»Inschallah.« Ghosn hatte an der Amerikanischen Universität in Beirut studiert und seinen Diplomingenieur nur deshalb nicht gemacht, weil einer seiner Professoren entführt worden war und zwei andere daraufhin das Land verlassen hatten. Er vermißte den akademischen Grad nicht besonders. Er war der beste Student gewesen und hatte sich sein Wissen auch ohne die Erläuterungen seiner Lehrer gut aneignen können. Ghosn, der auch viel in seinem eigenen Labor gearbeitet hatte, war kein Frontkämpfer der Bewegung. Er kannte sich zwar mit leichten Waffen aus, durfte sich aber, weil seine Kenntnisse und sein Geschick im Umgang mit Sprengstoff und elektronischen Geräten der Bewegung äußerst wertvoll waren, nicht in Gefahr begeben. Da er außerdem jung, ansehnlich und hellhäutig war, schickte man ihn oft auf Reisen. Als eine Art Vorauskommando spähte er mit dem Blick und dem Gedächtnis des Ingenieurs Ziele zukünftiger Operationen aus, zeichnete Lageskizzen, berechnete den Bedarf an Ausrüstung und gab den eigentlichen Kommandoteams, bei denen er in hohem Ansehen stand, technische Unterstützung. An seinem Mut zweifelte niemand. Er hatte seine Unerschrockenheit mehr als einmal beim Entschärfen israelischer Blindgänger im Libanon unter Beweis gestellt und die Bomben und Granaten dann zum Nutzen der Organisation ausgeschlachtet. Ibrahim Ghosn wäre bei jeder professionellen Organisation dieser Art auf der Welt willkommen gewesen. Der begabte Autodidakt war ein Palästinenser, dessen Familie ihre Heimat bei der Gründung des Staates Israel verlassen und dabei gehofft hatte, nach der Vertreibung der Eindringlinge durch die arabischen Armeen bald zurückkehren zu können. Doch dazu war es nicht gekommen, und er hatte seine Kindheit in überfüllten, unhygienischen Flüchtlingslagern verbringen müssen, wo Haß auf Israel ebenso wichtig gewesen war wie der Islam. Wie hätte es auch anders sein können: Ghosn und seinesgleichen, mißachtet von den Israelis als Leute, die ihr Land freiwillig verlassen hatten, und weitgehend ignoriert von den anderen arabischen Staaten, die wenig taten, um ihr Los zu erleichtern, waren nichts als Bauern auf einem Schachbrett, an dem Spieler saßen, die sich nie über die Regeln einigen konnten. Haß auf Israel und seine Freunde war für sie die natürlichste Sache der Welt, und Ghosn sah seine Lebensaufgabe darin, Wege zu finden, diese Feinde zu töten. Diese Aufgabe hatte er nie in Frage gestellt.
Ghosn bekam die Schlüssel für einen tschechischen GAZ-66. Der Laster war zwar nicht so zuverlässig wie ein Mercedes, aber billiger und leichter zu erhalten – dieser war vor Jahren über Syrien eingeschleust worden. Auf der Ladefläche war ein
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