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Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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selbstgebauter Kran montiert. Ghosn stieg mit dem Amerikaner und dem Fahrer ins Führerhaus. Zwei andere Männer sprangen hinten auf, als der Lkw aus dem Lager fuhr.
    Marvin Russell musterte das Terrain so aufmerksam wie ein Jäger ein neues Revier. Es war drückend heiß, aber auch nicht unerträglicher als im Ödland daheim, wenn der Chinook wehte, und die spärliche Vegetation erinnerte ihn an das Reservat, wo er seine Jugend verbracht hatte. Was anderen als trostlose Landschaft galt, war für einen an Staub und Hitze gewöhnten Amerikaner etwas Vertrautes. Nur fehlten hier die mächtigen Gewitterwolken und Tornados der amerikanischen Prärie. Die Berge waren höher als das Hügelland in South Dakota, hochaufragend, trocken und so heiß, daß einem beim Klettern die Luft wegbleiben mußte. Oder den meisten Bergsteigern, dachte Marvin Russell, nicht aber mir. Ich schaffe das, weil ich fitter bin als dieser Araber.
    Andererseits schienen diese Araber Waffenfanatiker zu sein. Zuerst sah er massenhaft Schnellfeuergewehre, vorwiegend russische AK-47, bald aber auch schwere Fla-Kanonen, Panzer und Panzergeschütze der syrischen Armee. Ghosn bemerkte das Interesse seines Gastes und begann zu erklären.
    »Die Syrer sind hier, um die Israelis fernzuhalten«, begann er, die Dinge aus seiner Sicht darzustellen. »Dein Land bewaffnet die Israelis, und die Russen versorgen uns.« Daß diese Quelle zu versiegen drohte, verschwieg er.
    »Seid ihr schon einmal angegriffen worden, Ibrahim?«
    »Oft, Marvin. Sie schicken Flugzeuge und Kommandotrupps und haben meine Landsleute zu Tausenden getötet. Und aus unserem Land vertrieben. Wir müssen in Lagern leben, die ...«
    »Ich weiß. Bei uns nennt man so was ›Reservate‹.« Das war Ghosn neu. »Sie kamen in das Land unserer Vorfahren, knallten die Büffel ab und ließen die Armee auf uns los. Meist griffen sie nur Lager mit Frauen und Kindern an. Wir versuchten, uns zu wehren. Häuptling Crazy Horse vernichtete am Little Big Horn – das ist ein Fluß – ein ganzes Regiment, das unter General Custer stand. Aber die Weißen gaben nicht auf. Es waren einfach zu viele, zu viele Soldaten, zu viele Gewehre. Das beste Land nahmen sie uns weg und ließen uns einen Dreck. Wie die Bettler müssen wir leben. Und das ist nicht recht. Wir werden wie Untermenschen behandelt, weil wir anders aussehen, anders reden und eine andere Religion haben. Alles das wurde uns nur angetan, weil wir am falschen Platz saßen. Wir wurden einfach beiseite gefegt wie Müll, weil man unser Land wollte.«
    »Das habe ich nicht gewußt«, meinte Ghosn – erstaunt, daß sein Volk nicht das einzige war, mit dem die Amerikaner und ihre israelischen Vasallen so umsprangen. »Wann war das?«
    »Vor hundert Jahren. Um genau zu sein, fing es 1865 an. Wir wehrten uns, so gut wir konnten, hatten aber fast keine Chance, weil uns Verbündete fehlten, Freunde, wie ihr sie habt. Niemand gab uns Kanonen und Gewehre. So wurden die Tapfersten abgeschlachtet. Meist lockte man die Häuptlinge in eine Falle und tötete sie dann – wie Crazy Horse oder Sitting Bull. Dann wurden wir ausgehungert, bis wir uns ergaben. Man wies uns schlechtes, staubiges Land zu und schickte uns gerade so viel zu essen, um zu überleben, aber nicht genug, um stark zu werden. Und wenn ein paar von uns heute versuchen, sich mannhaft zu wehren – nun, ich habe dir ja erzählt, was sie mit meinem Bruder gemacht haben. Aus dem Hinterhalt abgeschossen wie ein Tier, und das noch vor laufender Kamera, damit jeder auf dem Bildschirm sehen kann, was einem aufsässigen Indianer passiert.«
    Ghosn erkannte, daß dieser Mann in der Tat ein Mitkämpfer und kein Spitzel war. Seine Lebensgeschichte unterschied sich nicht von der eines Palästinensers. Erstaunlich.
    »Warum bist du hierhergekommen, Marvin?«
    »Weil ich abhauen mußte, ehe sie mich erwischten. Stolz bin ich darauf nicht, aber was hätte ich sonst machen sollen – warten, bis sie mich in einen Hinterhalt locken?« Russell zuckte mit den Achseln. »Ich hab’ mir gesagt, geh in ein anderes Land, suche Leute, die so sind wie du, lerne ein paar Tricks, sieh zu, wie du wieder heimkommst, und zeige deinem Volk, wie es sich wehren kann.« Russell schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist es ja alles hoffnungslos, aber ich gebe trotzdem nicht auf – verstehst du das?«
    »Ja, mein Freund, ich verstehe das gut. Mein Volk hat es schon vor meiner Geburt so gehalten. Aber auch du mußt erkennen, daß

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