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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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da?«
    »Deinetwegen, Tony. Darf ich dich daran erinnern, dass wir Bruderschaft getrunken haben? Ich will dich wiedersehen«, sagte er herzlich. »Sonst säße ich schon über dem Atlantik.«
    »Wohin ging dein Flug?«
    »Frankfurt.«
    »Wann fliegst du?«
    »Morgen früh.«
    »Was versprichst du dir davon, dass wir uns wiedersehen?« Ich schloss die Augen, riss sie aber schnell wieder auf, weil sich alles drehte.
    »Die Antwort lautet: Ein Abend mit dir ist besser als kein Abend mit dir.«
    Nachdem wir den Treffpunkt vereinbart hatten, legte er auf. Ich hatte ihn immer noch nicht gefragt, ob er verheiratet war.
    Wir trafen uns in einem teuren Lokal und aßen fernöstlich. Mir war merkwürdig zumute; unser erstes Date war zugleich ein Abschiedsdinner. Ich trank Tee, auch zum Anstoßen; irgendwann zahlte Pascal, danach wussten wir beide nicht, wie es weitergehen sollte. Nach seinem Beruf hatte ich ihn schon gefragt. Er besaß eine Firma, die nichts herstellte, sondern mit Werten jonglierte, die er von hier nach da verschob und Gewinn damit machte. Im Übrigen hatte er sich den Anschein gegeben, als wolle er mich mit seiner Arbeit nicht langweilen. Nur einmal sprach er von der Magie des Weltmarkts, der weniger durch reale Entwicklungen als durch die Psychologie der Vorstellung kommender Entwicklungen funktionierte.
    Wir gingen durch Torontos City, er nahm meine Hand. »Willst du nicht endlich wissen, ob ich verheiratet bin?« Ich sah ihn an, er nickte. »Ich bin verheiratet. Ich werde sie verlassen.«
    »Wie lange seid ihr zusammen?«
    »Vierzehn Jahre.« Er sagte mir ihren Namen, Jessica, auch, dass sie in Frankfurt noch zusammenlebten und dass sie beruflich etwas Ähnliches mache wie er. Das Wesentliche, den Grund der Trennung, verschwieg er. Ich respektierte das. Und doch, ein verheirateter Mann allein in einer fremden Stadt, wir waren unterwegs in sein Hotel – worauf lief das hinaus? Ich fühlte mich wohl in seiner Nähe, ich wollte ihn. Ob ich ihm glaubte, war mir nicht so wichtig.
    Als wir den Hotelfahrstuhl verließen, hatten wir uns zum ersten Mal geküsst. Er sagte, er wolle mir ein Bad zeigen, das man nur zu zweit genießen könne. Hotels dieser Kategorie verfügten über Luxusbäder, das war nichts Besonderes. Ich erwartete einen Jacuzzi, doch Pascal führte mich auf die Terrasse und präsentierte mir eine alte Steingutwanne auf gedrehten Füßen. Sie war riesig, sie stand im Freien, wir hatten März.
    Ich schaute auf die Skyline Torontos, Pascal ließ Wasser ein. Wir schlüpften aus den Kleidern, ohne jede Peinlichkeit. Ich hatte erwartet, dass er seine Hose ordentlich zusammenlegen würde; als er es tat, lächelte ich.
    Er hatte einen netten Bauch, starke Arme, die Beine eines Sportlers und schöne Füße. Er war erregt und schmunzelte über meinen Blick. Zärtlich streichelte er mich und hob mich mit Schwung in die Wanne. Das dampfende Wasser, die kalte Nacht, die Spitze des CN Tower blinkte in einem langsamen Inter vall, als würde der höchste Fernsehturm der Welt vor sich hin dösen. Wir ließen uns Zeit, redeten kaum, die Wärme machte uns müde. Irgendwann setzte ich mich auf Pascal, sah seinen Kopf verschwinden. Prustend kam er hoch, das schwarze Haar vom Wasser angelegt. Er hatte einen mächtigen Schädel, die Sehnen seines Halses waren angespannt. Wir liebten uns lange, fast bedächtig, mittendrin hob mich Pascal mit einem Griff aus der Wanne und trug mich triefend, mit platschenden Schritten, ins Schlafzimmer. Als ich mich versehentlich auf die TV-Fernbedienung legte, wurde der Bildschirm hell. Wir rutschten auf der Seite des Bettes zusammen, die am wenigsten nass war, und guckten fern, bis wir einschliefen.
    Pascal hatte den Weckdienst geordert, doch meine innere Uhr war ebenso verlässlich. Es dämmerte, ich stand auf, bestellte telefonisch Kaffee und nahm das Tablett entgegen, bevor Pascal sich das erste Mal geregt hatte. Ein stilles Frühstück, wir beide fertig angezogen, beide traurig, wir sagten, dass wir telefonieren würden. An diesem Morgen wusste ich nicht, ob ich mich darauf freuen sollte. An diesem Morgen ließ ich mein Leben Revue passieren. Da es niemanden gab, dem ich mich ganz hingeben wollte, kam mir mein Single-Dasein natürlich vor. Wenn ich Arbeit hatte, lebte ich mit meinen Texten, übersetzte aus dem Deutschen ins Amerikanische. Die Lektorin, die mir die Aufträge zuschanzte, war zugleich meine beste Freundin. Ich hatte die dreißig überschritten, zwei festere

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