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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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gigantisch. Ich war froh, als Aushilfe bei Cocult , dem kanadischen Comic-Verlag, meinem einsamen Schreibtisch zu entkommen. Pascal hatte irgendwie verloren gewirkt, als er am Cocult-Stand auftauchte. In seinem feinen Anzug hatte ich ihn für einen Einkäufer von Lizenzen gehalten oder jemanden, der einen Verlag erwerben will. Dabei war er nur auf die Messe gekommen, weil er Comics liebte.
    »Reiner Zufall«, hatte er mir später erzählt. Nach einer Konferenz in Toronto hatte er sich anders als die anderen Geschäftsleute vergnügen wollen und war nach dem Meeting losgezogen, um auf andere Gedanken zu kommen.
    »Kann ich helfen?«, hatte ich gefragt.
    »Das müssen Sie sogar.« Eine Geste zu den Regalen, junge Titel, junge Farben, Comicgesichter, von jungen Künstlern gezeichnet. Dazwischen der seriöse Mann im Dreiteiler mit teurer Uhr und Siegelring, sein Hemdkragen stand offen, die Krawatte war verrutscht, ein langer Tag lag hinter ihm.
    »Was interessiert Sie?« Es war nicht meine Aufgabe zu beraten – ich hatte nur Bereitschaftsdienst, wenn die Verlagsmitglieder Termine hatten.
    »Wenn ich das wüsste.« Er wandte den Blick von den Bildern zu mir. Es war nicht Sympathie, nicht zu Beginn, eher dieser Männerblick, Geschäftsmann auf der Suche nach Entspannung. Ich war müde gewesen, den ganzen Tag stehen, verbindlich sein; mein Schlauchkleid, das morgens meine Figur umschmeichelt hatte, beulte an manchen Stellen. Um die Frisur brauchte ich mir keine Gedanken zu machen, ich trug mein Haar igelkurz. Ich schätzte Pascal auf Ende vierzig, er sah aus wie einer, der versprach, im Alter noch verlockender zu werden. Groß, breite Schultern, leichter Bauchansatz. Sein Englisch war perfekt, die Aussprache knorrig, ich vermutete einen Skandinavier, später, als er ein Handygespräch annahm, einen Deutschen, doch das traf es nicht.
    »Woher kommen Sie?«, fragte ich.
    Er ließ mich zweimal raten, dann verriet er es mir. Damals hörte ich den Namen zum ersten Mal – Saanen. Da mir das nichts sagte, setzte er hinzu: »Switzerland of course!«
    »Of course, Switzerland.« Ich ließ ihn noch eine Weile in dem Glauben, dass ich kein Deutsch sprach. Es machte Spaß, Leute in ihrer Muttersprache Dinge ausplaudern zu hören, weil sie glaubten, der andere verstünde nichts.
    Bald darauf führte Pascal ein weiteres Telefonat. »Was soll ich dort?«, sagte er auf Deutsch. »Da sitzt nur ein Haufen Langweiler beisammen. Außerdem habe ich hier was Hübsches aufgetan.« Er warf mir einen Blick zu. »Mal sehen, wie sich das entwickelt.«
    Ich betrachtete seine Hand, kein Ring, und doch sah er verheiratet aus. Kleines Abenteuer im Ausland, dachte ich, netter Abend, schnelle Sache – was sonst konnte er von mir wollen? Ich wollte nichts von ihm, aber er gefiel mir.
    »Ich heiße Pascal.«
    »Tony.« Wir schüttelten uns nicht die Hand.
    »Toni? Sie scherzen! So heißen bei uns kleine Mädchen, die zum Volksfest auf den Wagen mit den geschmückten Kühen sitzen.«
    »Ich mag Kühe. Und außerdem: Bei uns schreibt man Tony mit ›y‹.«
    »Antonia ist aber kein typisch kanadischer Name.«
    Ich sagte ihm auf Englisch, dass ich deutsch erzogen worden sei.
    »Dann verstehen Sie mich also?«, rief er in klingendem Schweizerdeutsch.
    »Natürlich.«
    Von da an gab es bezüglich der Sprache keine Missverständnisse mehr. Er wollte sich mit mir verabreden, aber meine Arbeitszeit am Stand endete erst um sieben, und danach war ich für die Verlagsparty eingeteilt, zur Kundenbetreuung.
    »Was schlagen Sie vor?« Für ihn gab es keinen Zweifel, dass ich ihn wiedersehen wollte.
    »Kommen Sie morgen wieder«, antwortete ich gleichgültiger, als ich war.
    »Morgen verhandle ich von früh bis spät, dann nehme ich die Nachtmaschine nach Hause.« Er hakte mich unter. »Müssen Sie wirklich zu der dummen Party?« Ich wollte es ihm nicht so einfach machen und sagte Ja. »Wenn Sie zu dieser Party müssen, muss ich eben auch zu dieser Party.« Danach hatten wir uns getrennt.
    Ich habe nie herausgefunden, wie er sich Zutritt verschafft hatte. Jedenfalls war Pascal auf der Party aufgetaucht, im gleichen Anzug, frisches Hemd, mit bester Laune.
    »Ich lege mich für Sie ins Zeug«, hatte er gesagt und Rotwein bestellt.
    »Warum eigentlich?«
    »Im Ausland eine Frau zu treffen, die Tony heißt und mich versteht, das ist schon was Besonderes.« Er lachte mit vielen Falten.
    Die Atmosphäre war locker, bald wurde getanzt. Er wollte mich auffordern, ich war nicht

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