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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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war und hatte Pascal telefonieren sehen. Er war dazu ins Bad gegangen, angeblich, um mich nicht zu stören. Ich hatte angenommen, es habe mit den Öffnungszeiten der europäischen und asiatischen Börsen zu tun. Jetzt hielt ich es für genauso wahrscheinlich, dass Pascal mit seinem Sohn geredet hatte, bevor Robbie zur Schule musste.
    Als der Imbiss serviert wurde, nahm ich lediglich eine Scheibe Schinken, ein Stück Weißbrot, spießte eine Olive auf. Ich war im Geist bei Pascal. Nicht bei dem Flüchtling, der mich in seiner Panik, ich könnte ihn an die Behörden ausliefern, mit Geld zum Schweigen bringen wollte. Nach und nach fielen mir Ereignisse ein, die Pascal in liebenswürdigem Licht zeigten. Mir war die Aufmerksamkeit nicht entgangen, mit der er mich damals behandelt hatte. Ein Zeichen dafür war, dass er die Romane las, die ich übersetzte. Wir waren am Lake Ontario spazieren gegangen und hatten uns über die Geschichten in diesen Büchern unterhalten. Er hatte sich für meine Arbeit interessiert und mir das Gefühl gegeben, nicht seine millionenschweren Transaktionen seien bedeutend, sondern die Poesie eines Buches. Während dieser Zeit hatten wir auch unsere gemeinsame Zuneigung zu Meerestieren entdeckt. Lange bevor Pascal mich zu dem verhängnisvollen Tauchurlaub einlud, waren wir ins Seaquarium gegangen und hatten uns Meeresschildkröten angesehen. Geraume Zeit hatten wir uns an der Ruhe dieser Tiere erfreut. Wir waren mit dem Aufseher ins Gespräch gekommen, hatten erfahren, dass die Schildkröten vor Jahrmillionen Landlebewesen gewesen waren, sich aber wieder ins Meer zurückbewegt hatten. Wie schön war es gewesen, mit Pascal danach an der Promenade zu sitzen, während es allmählich dämmerte.
    Ich fasste in meine Jacke, zog das Portemonnaie hervor und betrachtete das Bußgeld-Ticket, das ich seit Jahr und Tag aufbewahrte. Es war unleserlich für mich, da es in thailändischer Schrift ausgestellt war. Pascal hatte mich spontan zu einem Badeurlaub überredet, wir waren losgeflogen, in Bangkok hatte er ein Auto gemietet. Kaum der Stadt entkommen, hatten wir gehalten und gegessen. Als wir weiterfahren wollten, war der Wagen verschwunden gewesen. Wir hatten an Diebstahl gedacht, doch das Auto war von der Polizei abgeschleppt worden. Die Formalitäten, es wiederzukriegen, hatten sich derart in die Länge gezogen, dass wir vor Ort übernachten mussten. Es wurde die berauschendste Liebesnacht, an die ich mich erinnern konnte. Pascal und ich waren in Innigkeit, Glück und Leidenschaft verschmolzen und hatten am nächsten Morgen so lange geschlafen, dass uns die Polizei aus dem Bett läuten musste, um uns den Wagen zu übergeben. Seitdem trug ich den thailändischen Bußgeldzettel bei mir.
    Pascal und ich waren im Moment nur durch eine kurze Fahrtstrecke getrennt, wir hielten uns beide in Südfrankreich auf, waren immer noch ein Ehepaar – dennoch konnten wir nicht zusammenkommen. Alles in mir krampfte sich zusammen, auch vor dem Entschluss, den ich erst vor ein paar Stunden gefasst hatte. Ich schob den Teller von mir, die Französin war froh, das Restaurant endlich schließen zu können.
    Ich lief ins Freie, die Schotterstraße stellte ein helles Band in der Nacht dar, ich ging los. Pascal hatte nie versucht, mit mir über seine beruflichen Machenschaften zu sprechen und mich für seine Seite einzunehmen. Oder doch? Mir fiel ein Theaterbesuch ein. Es war keine gute Aufführung gewesen, eine Tourneeproduktion, die durch Nordamerika tingelte, sie spielten die Threepenny Opera. Ich hatte einiges von dem Stück gehört, es aber noch nie gesehen. Ich wusste, dass die Uraufführung auf Deutsch gewesen war und versuchte, mir die Songtexte im Original vorzustellen. Die Figur des Mackie Messer kannte ich nur aus Interpretationen des Haifisch-Songs , nun lernte ich Mack the Knife zum ersten Mal auf der Bühne kennen. In der Pause fragte mich Pascal, wie mir der Held gefallen würde.
    »Er führt ein Doppelleben«, antwortete ich. »Erstaunlich, dass seiner Geliebten Polly das nicht auffällt.«
    »Ein Doppelleben – wie meinst du das?«
    »Wenn er bei ihr ist, wenn er Polly liebt, ist Mackie absolut gut.« Wir schlenderten durch das Theaterfoyer. »Aber wenn es ums Business geht, scheut er vor den schlimmsten Verbrechen nicht zurück. Ich glaube, eine Frau würde spüren, wenn sich ihr Mann so verhält.«
    »Meinst du wirklich?«
    Auf der mondbeschienenen Straße blieb ich stehen. Gott im Himmel, Pascal hatte mir

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