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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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erfundene Vergangenheit einfach vergessen und ihr freimütig gestanden, dass ich nie im Leben einen Fuß vor die Tore meiner Heimatstadt gesetzt hätte. Wenn nicht ein charmanter Hochstapler auf der Bildfläche erschienen wäre, der mich einfach mitnahm und später achtlos wegwarf wie eine Zigarettenkippe. Aber ich beherrschte mich und behalf mich wieder einmal mit vagen Ausflüchten.
    » Nun, an verschiedenen Orten, mal hier, mal da, doch Madrid ist wahrscheinlich die Stadt, in der ich die meiste Zeit gelebt habe. Und Sie?«
    » Let’s see, mal sehen«, sagte sie. » Ich bin in England geboren, aber kurz darauf gingen meine Eltern nach Kalkutta. Als ich zehn war, schickten sie mich zurück nach England auf die Schule, äh … mit sechzehn kehrte ich nach Indien zurück und mit zwanzig wieder in den westlichen Teil Europas. Zunächst blieb ich in London, anschließend eine ganze Weile in der Schweiz. Äh … later war ich ein Jahr in Portugal, deshalb vermische ich auch ständig Portugiesisch und Spanisch. Zu guter Letzt habe ich mich nun in Afrika niedergelassen, zuerst in Tanger, und seit Kurzem lebe ich in Tetuán.«
    » Ihr Leben scheint sehr interessant zu sein«, bemerkte ich, unfähig, die Reihenfolge der vielen exotisch klingenden Namen zu behalten, noch dazu, wenn sie mit englischem Akzent ausgesprochen wurden.
    » Well, wie man’s nimmt«, entgegnete sie achselzuckend und nippte vorsichtig an dem heißen Tee, den Jamila uns in kleinen Gläsern gerade serviert hatte. » Mir hätte es wirklich gar nichts ausgemacht, in Indien zu bleiben, doch anerwarteterweise geschahen bestimmte Dinge, die meinen Weggang erforderlich machten. Manchmal nimmt das Schicksal uns die Entscheidungen ab, right? After all, äh … that’s life. So ist das Leben, nicht wahr?«
    Trotz ihrer seltsamen Aussprache und obwohl uns offenkundig Welten voneinander trennten, verstand ich sofort, was sie meinte. Während wir Tee tranken, plauderten wir über Belanglosigkeiten: die kleinen Änderungen an ihrem Kleid aus bedruckter Wildseide, den Termin für die nächste Anprobe. Sie sah auf die Uhr, und auf einmal war sie wie elektrisiert.
    » Ich muss gehen«, sagte sie, während sie sich erhob. » Ich hatte ganz vergessen, dass ich noch etwas erledigen muss, some shopping, ein paar Einkäufe, bevor ich mich zu Hause umziehe, denn ich bin beim belgischen Konsul zum Cocktail eingeladen.«
    Sie redete, ohne mich anzusehen, streifte sich unterdessen die Handschuhe über und setzte sich den Hut auf. Neugierig beobachtete ich sie dabei, während ich mich fragte, in wessen Begleitung diese Frau zu all den Festen ging, mit wem sie ihre Freiheit verbrachte. Ich staunte über die Unbekümmertheit dieser wohlhabenden Frau, die nach Belieben durch die Welt streifte, von einem Kontinent zum anderen, sich dabei in allen möglichen Sprachen verständigte und dazu Tee aus aller Herren Länder trank. Als ich ihr offensichtlich müßiges Leben mit meinen arbeitsreichen Tagen verglich, spürte ich auf einmal eine Spur von Neid in mir aufkommen.
    » Wissen Sie, wo ich hier einen Badeanzug bekomme?«, fragte sie mich unvermittelt.
    » Für Sie?«
    » Nein. Für meinen filho.«
    » Für wen bitte?«
    » My son. Nein, das ist Englisch, sorry. Meinen Sohn?«
    » Für Ihren Sohn?«, fragte ich ungläubig.
    » Sohn, das ist das Wort, das ich gesucht habe. Er heißt Johnny, ist fünf Jahre alt and he’s so sweet … und ein ganz Lieber.«
    » Auch ich wohne erst seit Kurzem in Tetuán, ich glaube nicht, dass ich Ihnen da weiterhelfen kann«, erwiderte ich und bemühte mich, meine Verblüffung zu verbergen. In der Traumwelt, die ich ihr gerade eben noch angedichtet hatte, war sie eine Kindfrau, die das Leben leicht nahm, die sicher zahllose Freunde und Bewunderer hatte, Champagner schlürfte und weite Reisen machte, Feste bis zum Morgengrauen feierte, Abendroben der Haute Couture trug, sich mit den verschiedensten Seidenstoffen auskannte und, mit viel Fantasie, vielleicht sogar einen jungen Ehemann hatte, der genauso zu leben verstand und genauso attraktiv war wie sie. Zu dieser Vorstellung wollte die Tatsache, dass sie einen Sohn hatte, so gar nicht passen. Auf mich wirkte sie nicht wie eine Mutter. Doch sie war es, wie es schien.
    » Schon gut, lassen Sie das nur meine Sorge sein, ich werde schon etwas Passendes finden«, sagte sie zum Abschied.
    » Viel Glück. Und vergessen Sie nicht, ich erwarte Sie in fünf Tagen.«
    » Ich werde da sein, I promise,

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