Das Echo der Traeume
Gesicht sonst trug, war gänzlich verschwunden. Ihr Blick war nun der einer nervösen, aber energischen Frau, die sich nicht so leicht unterkriegen ließ.
» Wir müssen unbedingt einen Ausweg finden! Als ich von Tanger nach Tetuán umgezogen bin, habe ich einige trunks, einige große Koffer mit Dingen gepackt, die ich nicht mehr benötige. Sie sollten zu meiner Mutter nach England. Aus Versehen ist der Schrankkoffer mit meinen evening gowns, mit all meinen Abendkleidern anerwarteterweise ebenfalls dort gelandet. Ich warte darauf, dass man mir die Sachen zurückschickt. Gerade hat man mir mitgeteilt, dass ich heute Abend zu einem Empfang beim deutschen Konsul eingeladen bin. Äh … It’s the first time, es ist das erste Mal, dass ich öffentlich bei einem solchen Ereignis in Begleitung einer … einer Person erscheine, zu der ich eine … eine muito – wie sagt man? –, sehr spezielle Beziehung habe.«
Sie redete schnell, aber dennoch überlegt, darum bemüht, mir das Wesentliche in ihrem einfachen Spanisch zu erklären. Weil sie allerdings so nervös war, klang sie mit jedem Satz portugiesischer und streute noch mehr englische Worte in ihren Monolog ein als je zuvor.
» Well it is … mmm … it’s muito wichtig für … für … ihn, für diesen Mann und für mich, denn wir wollen uma boa impressão, einen guten Eindruck bei den Mitgliedern der German colony, der deutschen Gemeinde in Tetuán, hinterlassen. So far, bis jetzt hat Misses Langenheim mir geholfen, einige Mitglieder personally kennenzulernen, sie ist ja half English, halbe Engländerin, äh …, aber diese noite, heute Abend werde ich mich zum ersten Mal mit diesem Mann zeigen, openly together, in aller Öffentlichkeit, und deshalb ist es extremely wichtig, dass ich sehr, sehr gut angezogen bin, und … und …«
Ich unterbrach ihren Redeschwall. Es gab keinen Grund, mir all das zu erzählen, wo ich doch nichts für sie tun konnte.
» Es tut mir wirklich sehr leid, das können Sie mir glauben. Ich würde Ihnen sehr gerne helfen, aber ich sehe keine Möglichkeit. Wie ich schon sagte, habe ich in meinem Atelier keine fertigen Kleider vorrätig, und Ihre Robe kann ich unmöglich in ein paar Stunden nähen. Dafür bräuchte ich mindestens drei oder vier Tage.«
Schweigend, in Gedanken vertieft, drückte sie ihre Zigarette aus. Sie biss sich auf die Unterlippe und brauchte einen Moment, bevor sie mich direkt ansah und mir eine Frage stellte, die ihr sichtlich schwerfiel.
» Würden Sie mir vielleicht freundlicherweise eines Ihrer eigenen Abendkleider leihen?«
Ich schüttelte den Kopf, während ich versuchte, eine glaubwürdige Erklärung aus dem Ärmel zu schütteln, mit der ich die traurige Wahrheit kaschieren konnte, dass ich nämlich gar keins besaß.
» Das wird nicht gehen, fürchte ich. Leider ist meine ganze Garderobe bei Kriegsausbruch in Madrid zurückgeblieben. Ich habe meine Sachen bisher noch nicht wiederbekommen. Hier habe ich lediglich ein paar Straßenkostüme, aber kein einziges Abendkleid. Ich gehe nur sehr selten aus, wissen Sie. Mein Verlobter ist in Argentinien und ich …«
Zu meiner großen Erleichterung unterbrach sie mich.
» I see, ich verstehe.«
Ohne einander anzusehen, saßen wir schweigend einen schier endlosen Moment lang da – beide darum bemüht, die unangenehme Situation zu überspielen. Und so sah eine von uns in Richtung der Balkone, während die andere auf den Rundbogen starrte, der den Salon von der Diele trennte. Sie brach als Erste das Schweigen.
» I think, I must leave now. Ich muss jetzt gehen.«
» Glauben Sie mir, es tut mir schrecklich leid. Wenn ich etwas mehr Zeit hätte …«
Ich beendete den Satz nicht, denn mir wurde schnell klar, dass es sinnlos war, noch ein Wort darüber zu verlieren. Stattdessen versuchte ich, das Thema zu wechseln, die Aufmerksamkeit von der traurigen Wahrheit abzulenken, dass der heutige Abend mit jenem Mann, den sie zweifellos liebte, ein Reinfall zu werden drohte. Das Leben dieser Frau ließ mich einfach nicht los. Sie, die sonst so selbstsicher und charmant aufgetreten war, sammelte nun angestrengt ihre Sachen zusammen und ging zur Tür.
» Morgen ist alles für die zweite Anprobe fertig, einverstanden?«, meinte ich zum Trost.
Sie lächelte vage und ging, ohne noch ein Wort zu sagen. Und ich stand regungslos da und war einerseits betroffen, weil ich einer Kundin in Not nicht hatte helfen können, andererseits aber auch neugierig geworden auf das in meinen
Weitere Kostenlose Bücher