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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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versprochen.«
    Sie ging und hielt ihr Versprechen nicht. Statt am fünften Tag erschien sie bereits am vierten – unangemeldet und in großer Eile. Jamila kündigte sie mir gegen Mittag an, als ich gerade Elvirita Cohen, die Tochter des Eigentümers vom Teatro Nacional, zur Anprobe dahatte. Sie wohnte in meiner früheren Straße, in der Calle Luneta, und war eine der schönsten Frauen, die ich je in meinem Leben gesehen hatte.
    » Siñora Rosalinda sagen wichtig sehen Siñorita Sira.«
    » Sie soll bitte warten. Ich bin in einer Minute bei ihr.«
    Es dauerte länger, vermutlich sogar mehr als zwanzig Minuten. Obwohl ich die Robe, mit der diese wunderschöne Jüdin mit der makellosen Haut auf irgendeinem Fest glänzen würde, nur an einigen wenigen Stellen enger machen musste. Denn unbeirrt und in aller Seelenruhe plauderte Elvirita mit mir in ihrem melodischen Singsang, dem Haketía.
    Von Félix – von wem auch sonst? – hatte ich mehr über die sephardischen Juden in Tetuán erfahren. Einige waren wohlhabend, andere lebten in bescheidenen Verhältnissen, doch alle zurückgezogen. Diese geschickten Kaufleute hatten sich vor Jahrhunderten in Nordafrika angesiedelt, nachdem sie von der Iberischen Halbinsel vertrieben worden waren. Erst vor einigen Jahren hatte die republikanische Regierung sie endlich mit allen Rechten als Spanier anerkannt. Die sephardische Gemeinschaft stellte rund ein Zehntel der Bevölkerung von Tetuán, aber in ihren Händen lag der Großteil der wirtschaftlichen Macht der Stadt. Viele der Gebäude im neuen spanischen Viertel hatten sie errichten lassen, und ihnen gehörten die besten Geschäfte und Läden der Stadt, in denen sie Schmuck, Schuhe, Stoffe und Konfektionsware verkauften. Ihre Finanzkraft spiegelte sich in ihren Bildungseinrichtungen wider, in ihrem eigenen Kasino und in den verschiedenen Synagogen, in denen sie sich zum Gebet und zu ihren Feiern trafen. Vermutlich wollte Elvirita Cohen bei einer dieser Gelegenheiten ihr Kleid aus Seidenrips vorführen, das sie gerade probierte, als Rosalinda Fox zum dritten Mal völlig unvermutet bei mir erschien.
    Sichtlich ungeduldig erwartete sie mich im Salon, wo sie an einer der Balkontüren wartend stand. Höflich, aber zurückhaltend grüßten sich meine beide Kundinnen von Weitem – die Engländerin zerstreut, das sephardische Mädchen überrascht und neugierig.
    Kaum war die Tür hinter der Jüdin ins Schloss gefallen, kam sie auch schon auf mich zugestürzt: » Ich habe ein Problem«, sagte sie.
    » Erzählen Sie. Wollen Sie sich setzen?«
    » Am liebsten hätte ich etwas zu trinken. A drink, please.«
    » Ich fürchte, ich kann Ihnen nur Tee, Kaffee oder ein Glas Wasser anbieten.«
    » Evian?«
    Ich schüttelte den Kopf, während ich überlegte, dass ich mir unbedingt eine kleine Bar einrichten sollte, um meine Kundinnen bei einer eventuellen Krise mit etwas Stärkendem aufrichten zu können.
    » Never mind«, wisperte sie, während sie sich matt auf das Sofa sinken ließ. Ich nahm im Sessel gegenüber Platz, schlug automatisch die Beine übereinander und hoffte, den Grund für ihren überraschenden Besuch zu erfahren. Doch zunächst holte sie ihre Tabatière hervor, zündete sich eine Zigarette an und warf das elegante Etui achtlos auf das Sofa. Nachdem sie den ersten tiefen Zug genommen hatte, fiel ihr auf, dass sie mir keine Zigarette angeboten hatte. Sie entschuldigte sich und hielt mir das geöffnete Etui hin, aber ich schüttelte dankend den Kopf, denn ich erwartete in Kürze eine andere Kundin und wollte nicht, dass meine Finger in der beengten Ankleide nach Rauch rochen. Sie schloss ihr Zigarettenetui wieder und begann zu reden.
    » Ich brauche an evening gown, äh … ein umwerfendes Abendkleid für heute Abend. Völlig anerwartet habe ich eine Einladung erhalten. Ich muss aussehen like a princess.«
    » Wie eine Prinzessin?«
    » Right. Wie eine Prinzessin. Ich brauche etwas muito, muito … sehr Elegantes.«
    » Ihr bestelltes Abendkleid ist für die zweite Anprobe fertig.«
    » Würden Sie es bis heute Abend schaffen?«
    » Absolut unmöglich.«
    » Und irgendein anderes Modell?«
    » Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Andere Kleider habe ich nicht, da ich ja nur auf Bestellung anfertige.«
    Wieder nahm sie einen tiefen Zug von ihrer Zigarette, doch diesmal wirkte sie dabei nicht abwesend, sondern sah mich durch die Rauchwolke hindurch eindringlich an. Der Ausdruck des unbekümmerten Mädchens, den ihr

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