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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Anprobe. Aber sie erschien nicht. Auch nicht am nächsten oder übernächsten Tag. Sie machte sich nicht die Mühe, mich anzurufen, und ließ mir auch keine Nachricht zukommen, in der sie sich für ihr Nichterscheinen entschuldigte, sich rechtfertigte oder einen neuen Termin vorschlug. Es war das erste Mal, dass mir so etwas passierte. Ich dachte, dass sie vielleicht gar nicht die Absicht hatte, noch einmal zu kommen, dass sie eine Ausländerin auf der Durchreise war, eine jener privilegierten Damen, die das Protektorat nach Lust und Laune verlassen und sich jenseits seiner Grenzen frei bewegen konnten. Eine echte Dame von Welt und nicht eine Frau, die nur mondän tat – so wie ich. Ich konnte keine vernünftige Erklärung für ihr Verhalten finden und beschloss daher, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Besser, ich kümmerte mich um meine anderen noch ausstehenden Aufträge. Fünf Tage später als vereinbart tauchte sie aus heiterem Himmel bei mir auf, als ich gerade beim Mittagessen saß. Ich hatte den ganzen Vormittag konzentriert gearbeitet und erst nachmittags um drei Zeit für eine kurze Pause gefunden. Es läutete an der Tür, und Jamila ging öffnen, während ich in der Küche den letzten Bissen meiner Banane hinunterschluckte. Kaum hörte ich die Stimme der Engländerin am anderen Ende des Flurs, stand ich auch schon auf, wusch mir eben am Spülbecken die Hände und schlüpfte in meine hochhackigen Schuhe. Rasch ging ich ihr entgegen. Auf meinem Weg säuberte ich die Zähne mit der Zunge und ordnete mit einer Hand mein Haar, während ich mir mit der anderen den Rock zurechtrückte und glättend über mein Jackett strich. Ihre Begrüßung fiel recht langatmig aus.
    » Ich muss Sie tausendmal um Entschuldigung bitten, dass ich nicht früher gekommen bin und heute einfach so bei Ihnen vorbeischaue. Anungemeldet, so sagt man doch, oder?«
    » Unangemeldet«, verbesserte ich sie.
    » Unangemeldet, sorry. Ich war a few days weg, musste ein paar Dinge in Gibraltar regeln, obwohl ich fürchte, dass mir das nicht gelungen ist. Anyway, ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.«
    » Nein, ganz und gar nicht«, log ich. » Treten Sie doch ein.«
    Ich führte sie in die Anprobe und zeigte ihr die drei Modelle. Sie äußerte sich lobend, während sie sich ihrer Kleidung entledigte und schließlich in Unterwäsche vor mir stand, in einem Ensemble aus Satin, das sicher einmal sehr kostspielig gewesen war, seinen früheren Glanz jedoch durch Zeit und Abnutzung verloren hatte. Die Seidenstrümpfe, die sie trug, schienen auch nicht gerade erst gestern gekauft worden zu sein, doch sie waren von ausgezeichneter Qualität und wirkten noch immer glamourös. Sie zog eine Kreation nach der anderen über. Ihr knochiger Körper sah zerbrechlich aus, ihre Haut war so durchscheinend, dass sich die Venen darunter bläulich abzeichneten. Den Mund voller Stecknadeln nahm ich ein paar kleine Änderungen vor und zog den Stoff, der über ihre zierliche Figur fiel, an einigen Stellen glatt. Während der Anprobe wirkte sie sehr zufrieden, nahm alles widerspruchslos hin und stimmte sämtlichen Vorschlägen zu. Als wir mit der Anprobe fertig waren, versicherte ich, dass alles très chic werden würde. Sie zog sich wieder an, und ich wartete in der Zwischenzeit im Salon auf sie. Es dauerte nicht lange, dann erschien sie, und trotz ihres spontanen Besuchs hatte sie es auch diesmal offensichtlich nicht eilig. Und so bot ich ihr eine Tasse Tee an.
    » Also, für eine Tasse Darjeeling mit einem Schuss Milch würde ich sterben, aber ich nehme mal an, dass es Pfefferminztee gibt, right?«
    Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, welches Getränk sie meinte, tat aber so, als wüsste ich Bescheid.
    » So ist es, marokkanischen Tee«, entgegnete ich, ohne mir etwas anmerken zu lassen. Ich forderte sie auf, es sich bequem zu machen, und rief nach Jamila.
    » Obwohl ich Engländerin bin«, erklärte sie, » habe ich den größten Teil meines Lebens in Indien verbracht, und obwohl ich wahrscheinlich niemals mehr dorthin zurückkehren werde, gibt es vieles, was ich vermisse. Wie zum Beispiel el nosso té.«
    » Das kann ich nur zu gut verstehen. Auch mir fiel es nicht leicht, mich hier an alles zu gewöhnen, und gleichzeitig vermisse ich einiges von dem, was ich zurückgelassen habe.«
    » Wo haben Sie denn früher gelebt?«, wollte sie wissen.
    » In Madrid.«
    » Und davor?«
    Fast wäre ich bei ihrer Frage in Lachen ausgebrochen, hätte mich und meine

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