Das Echo der Traeume
auf meinem Tisch liegt, jage ich dich mit ein paar Fußtritten in die Wüste. Bautista, was ist mit dem Raub auf dem Weizenmarkt? Cañete …«
An dieser Stelle hörte er auf. Er hörte auf, weil sein Blick auf mich fiel. Und so blieb Cañete, der Dünne, ohne Auftrag.
» Kommen Sie«, sagte er nur und deutete auf ein Büro ganz hinten in der Wache. Er schlüpfte wieder in die Jacke, die er schon halb ausgezogen hatte. » Cortés, der Bericht kann warten. Und ihr, ihr kümmert euch gefälligst um eure Arbeit«, empfahl er dem Rest.
Er schloss die Glastür seines Schlupfwinkels hinter sich und bot mir einen Platz an. Sein Büro war nicht sehr groß, aber deutlich angenehmer als die angrenzende Wache. Er hängte seinen Hut an die Garderobe und machte es sich hinter einem mit Papieren und Akten beladenen Tisch bequem. Schließlich schaltete er einen Ventilator aus Bakelit ein, dessen angenehmer Windhauch mein Gesicht so unverhofft erfrischte wie Wasser in der Wüste.
» Nun, was gibt es?« Sein Ton war neutral. Einerseits wirkte er wie bei unseren ersten Treffen ein wenig beunruhigt und besorgt. Andererseits aber so ernst wie an jenem Oktobertag, als er mich in meinem Atelier besuchte und sich mit mir dahingehend einigte, mir die Luft zum Atmen zu lassen. Und wie bereits im letzten Sommer war sein Gesicht auch diesmal von der Sonne gebräunt. Vielleicht, weil er wie viele andere Bewohner der Stadt regelmäßig an den Strand von Río Martín ging. Vielleicht aber auch, weil er wegen seiner Arbeit ständig draußen unterwegs war, von einem Punkt der Stadt zum anderen hetzte.
Sein Befragungsstil war mir inzwischen vertraut, sodass ich sogleich mit meiner Bitte herausrückte und mich darauf gefasst machte, seine endlosen, wie aus der Pistole geschossenen Fragen zu beantworten.
» Ich brauche meinen Pass.«
» Wofür, wenn ich fragen darf?«
» Um nach Tanger zu fahren.«
» Wieso?«
» Um meine Schulden neu zu verhandeln.«
» Was meinen Sie damit?«
» Ich brauche mehr Zeit.«
» Ich dachte, Ihr Modeatelier läuft gut. Ich hatte gehofft, Sie hätten die benötigte Summe für die Tilgung bereits zusammen. Ich weiß, dass Sie betuchte Kundinnen haben, ich habe mich informiert. Man spricht sehr wohlwollend von Ihnen.«
» Ja, der Laden läuft, so viel ist sicher. Und ich habe gespart.«
» Wie viel?«
» Genug, um meine Schulden im Hotel Continental bezahlen zu können.«
» Und? Dann ist doch alles in Ordnung.«
» Es sind andere Probleme entstanden, für die ich dringend Geld benötige.«
» Welcher Art?«
» Probleme mit der Familie.«
Er sah mich mit gespielter Ungläubigkeit an.
» Ich dachte, Ihre Familie lebt in Madrid.«
» So ist es, genau.«
» Erläutern Sie das Problem.«
» Meine ganze Familie ist meine Mutter. Und sie lebt in Madrid. Ich möchte sie von dort wegholen und nach Tetuán bringen.«
» Und Ihr Vater?«
» Ich sagte Ihnen doch schon, dass ich ihn kaum kannte. Ich möchte nur meine Mutter finden.«
» Ich verstehe. Und wie wollen Sie das anstellen?«
Ich erzählte ihm, was Candelaria mir berichtet hatte, natürlich ohne ihren Namen zu erwähnen. Er hörte mir zu, wie er mir immer zugehört hatte – sein forschender Blick bohrte sich dabei in meine Augen, als sauge er meine Worte förmlich mit allen Sinnen auf. Aber im Grunde war ich mir sicher, dass er bereits genauestens darüber im Bilde war, wie diese Transfers von einer Zone in die andere über die Bühne gingen.
» Wann genau wollen Sie nach Tanger?«
» So schnell wie möglich, wenn Sie es mir gestatten.«
Er lehnte sich zurück und sah mich durchdringend an, trommelte mit den Fingern der linken Hand auf dem Tisch herum. Wenn ich in der Lage gewesen wäre, in seinen Kopf hineinzuschauen, hätte ich vielleicht sehen können, wie es in seinem Gehirn arbeitete. Wie er meinen Vorschlag abwog, hin und her überlegte und schließlich eine Entscheidung fällte. Das Ganze konnte nicht lange gedauert haben, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Plötzlich hörte er auf, mit den Fingern zu trommeln, und hieb mit der flachen Hand einmal kräftig auf die Tischplatte. Da wusste ich, die Entscheidung war gefallen. Doch bevor er sie mir mitteilte, ging er zur Tür, steckte den Kopf hinaus und rief:
» Cañete, mach einen Passierschein fertig. Auf den Namen Señorita Sira Quiroga. Sofort.«
Erleichtert darüber, dass endlich auch Cañete eine Aufgabe hatte, atmete ich einmal tief durch, sagte allerdings nichts, bis der
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