Das Echo der Traeume
trockene Ebene. Die Enden unserer seidenen Kopftücher flatterten im Wind, der Stoff glänzte in der Mittagssonne, während Rosalinda von ihrer abenteuerlichen Ankunft in Marokko berichtete.
» In Portugal hatten sie mir viel von Marokko erzählt, vor allem von Tetuán. Damals war ich eng mit General Sanjurjo und seiner bezaubernden Frau Carmen befreundet. Sie ist so sweet. Weißt du, dass sie vor ihrer Heirat Tänzerin gewesen ist? Mein Sohn Johnny hat jeden Tag mit ihrem kleinen Pepito gespielt. Es tat mir furchtbar leid, als José Sanjurjo bei diesem schrecklichen Flugzeugabsturz ums Leben kam. Er war ein absolut hinreißender Mann, äußerlich nicht sehr attraktiv, to tell you the truth, aber so sympathisch, so warmherzig. Er sagte immer guapísssssima zu mir, von ihm lernte ich meine ersten spanischen Wörter. Er hat mich Juan Luis vorgestellt, als wir im Februar letzten Jahres die Olympischen Winterspiele in Garmisch besuchten und dann im Sommer nach Berlin weiterreisten, und ich war natürlich fasziniert von ihm. Ich nahm meine Freundin Niesha mit. Zwei Frauen, die allein in einem Mercedes quer durch Europa reisen, von Portugal bis nach Berlin, can you imagine? Wir sind im Hotel Adlon abgestiegen, du kennst es sicher.«
Ich machte eine Geste, die alles bedeuten konnte, während sie weiterplauderte, ohne mir besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
» Berlin, was für eine Stadt, my goodness! Die Kabaretts, die Partys, die Nachtclubs, alles so vital, so mitreißend. Die Ehrwürdige Mutter meines anglikanischen Internats hätte einen Herzinfarkt bekommen, wenn sie mich dort gesehen hätte. Eines Abends traf ich die beiden Herren zufällig in der Lounge des Hotels, als sie ein Glas tranken. Sanjurjo war in Deutschland, um Waffenfabriken zu besichtigen, und Juan Luis, der schon seit mehreren Jahren dort lebte und Militärattaché der spanischen Botschaft war, begleitete ihn bei diesen Terminen. Wir plauderten ein bisschen, machten Konversation. Anfangs wollte Juan Luis diskret sein und in meiner Anwesenheit nicht über die Gründe für seine Reise reden, aber José wusste, dass ich eine gute Freundin bin. › Wir sind bei den Winterspielen gewesen, und auch wir bereiten uns gerade auf Spiele vor, allerdings Kriegsspiele‹, sagte er mit einem lauten Lachen. My dear José. Hätte es nicht diesen schrecklichen Absturz gegeben, dann stünde heute vielleicht er und nicht Franco an der Spitze der nationalen Armee, so sad. Anyway, als wir nach Portugal zurückgekehrt waren, kam Sanjurjo immer wieder auf jene Begegnung zu sprechen und erzählte mir von seinem Freund Beigbeder: wie sehr ich ihn beeindruckt hätte, was für ein Leben er im wunderbaren Spanisch-Marokko führte. Weißt du, dass José in den zwanziger Jahren ebenfalls Hochkommissar in Tetuán war? Er selbst hat die Gärten des Hochkommissariats anlegen lassen, so beautiful. Und König Alfonso XIII . hat ihn zum Marqués del Rif ernannt. Den Löwen des Rifs nannte man ihn, poor dear José.«
Wir fuhren weiter durch die ausgedörrte Landschaft. Rosalinda, im wahrsten Sinn des Wortes nicht zu bremsen, chauffierte und redete ununterbrochen, sprang von einer Sache zur anderen, bewegte sich durch verschiedene Länder und Zeiträume, ohne sich darum zu kümmern, ob ich ihr durch das Labyrinth ihres Lebens, das sie mir Stück für Stück vorsetzte, überhaupt folgen konnte. Plötzlich blieben wir mitten im Nirgendwo stehen, die Vollbremsung wirbelte eine Wolke von Staub und trockener Erde auf. Wir mussten eine Herde magerer Ziegen vorbeiziehen lassen, denen ein Hirte mit einem schmutzigen Turban und einer abgetragenen, bräunlichen Dschellaba folgte. Als das letzte Tier die Piste überquert hatte, hob er den Stecken, der ihm als Hirtenstab diente, um uns zu signalisieren, dass wir weiterfahren konnten, und sagte etwas, das wir nicht verstanden, wobei er uns die verfaulten Zähne in seinem Mund sehen ließ. Rosalinda gab Gas und nahm ihr Geplauder wieder auf.
» Im Juli letzten Jahres kam es dann zu dem Aufstand. Ich hatte Portugal gerade verlassen, befand mich in London und bereitete meinen Umzug nach Marokko vor. Juan Luis hat mir erzählt, dass es für ihn während des Aufstands manchmal a bit difficult war: Es gab ein paar Widerstandsnester, es gab Schießereien und Explosionen, sogar Blut in den Springbrunnen der Gärten, die Sanjurjo so liebte. Aber die Aufständischen erreichten ihr Ziel, und Juan Luis trug auf seine Weise dazu bei. Er selbst war es, der den
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