Das Echo der Traeume
erwiderte ihre Blicke, indem ich selbstbewusst mein Haar zurückwarf und ein Lächeln aufsetzte, um das Judas mich beneidet hätte. » Nun, vielleicht kommen wir eines Tages nach Tetuán und schauen bei ihr vorbei. Wir sind ganz verrückt nach Mode, und ehrlich gesagt haben wir die Schneiderinnen in Tanger schon ein bisschen satt, nicht wahr, Mildred?«
Die Jüngere pflichtete ihr überschwänglich bei und riss das Gespräch gleich an sich.
» Wir würden dich wahnsinnig gern in Tetuán besuchen, liebste Rosalinda, aber diese Formalitäten an der Grenze sind so lästig, seit in Spanien Krieg ist …«
» Vielleicht wäre es ja denkbar, dass du uns mit deinen Kontakten Passierscheine beschaffst. Dann könnten wir euch beide besuchen. Und womöglich bekämen wir auch Gelegenheit, den einen oder anderen deiner neuen Freunde kennenzulernen …«
Die beiden Blondinen spielten sich gegenseitig den Ball zu. Dean, der Barkeeper, blieb mit gleichmütiger Miene hinter dem Tresen auf Posten, um nur ja nichts zu verpassen. Rosalindas Lächeln war inzwischen zur Maske erstarrt. Die zwei Damen plapperten ungeniert weiter und fielen sich gegenseitig ins Wort.
» Das wäre toll! Tout le monde in Tanger brennt darauf, meine Liebe, deine neuen Freunde kennenzulernen.«
» Nun ja, im Vertrauen gesagt, dafür sind wir schließlich wahre Freundinnen, nicht wahr? Eigentlich interessiert uns vor allem einer deiner neuen Freunde. Es soll jemand ganz Besonderer sein, haben wir gehört.«
» Vielleicht könntest du uns zu einem seiner Abendempfänge einladen, dann würde er deine alten Freunde aus Tanger kennenlernen. Wir würden nur zu gerne kommen, nicht wahr, Olivia?«
» Das wäre großartig. Wir haben es so satt, immer dieselben Gesichter zu sehen. Zur Abwechslung die Vertreter der neuen spanischen Regierung kennenzulernen wäre faszinierend.«
» Ja, das wäre wirklich fantastisch … Außerdem hat das Unternehmen, das mein Mann vertritt, einige neue Produkte entwickelt, die für die nationale Armee sehr interessant sein könnten. Vielleicht würde es ihm mit einer kleinen Unterstützung deinerseits gelingen, sie in Spanisch-Marokko einzuführen.«
» Und mein armer Arnold ist seines momentanen Postens in der Bank of British West Africa schon ein wenig überdrüssig. Womöglich könnte er in Tetuán, in deinem Freundeskreis, etwas finden, das ihm mehr zusagt …«
Rosalindas Lächeln zerfiel langsam, sie bemühte sich nicht einmal mehr darum, die Fassade aufrechtzuerhalten. Als sie fand, dass sie nun genug Banalitäten gehört hätte, ignorierte sie die beiden Blondinen und wandte sich zuerst mir, dann dem Barkeeper zu.
» Sira, darling, gehen wir im Roma Park essen? Dean, please, be a love und setze unsere Drinks auf meine Rechnung.«
Er schüttelte energisch den Kopf.
» Nein, die gehen aufs Haus.«
» Unsere auch?«, fragte wie aus der Pistole geschossen Olivia. Oder vielleicht war es Mildred.
Ehe der Barkeeper etwas erwidern konnte, gab Rosalinda ihr unmissverständlich Antwort.
» Eure nicht!«
» Warum?«, wollte Mildred wissen und machte ein erstauntes Gesicht. Oder vielleicht war es Olivia.
» Weil ihr richtige bitches seid. Wie sagst du noch mal dazu, Sira, darling?«
» Miststücke«, sagte ich, ohne mit der Wimper zu zucken.
» That’s it. Miststücke , zwei hinterhältige Weiber .«
Wir verließen die Bar des Hotels El Minzah in dem Wissen, dass uns zahllose Blicke folgten. Selbst für eine kosmopolitische und tolerante Gesellschaft wie die in Tanger war die öffentliche Affäre einer verheirateten jungen Engländerin mit einem Militär des nationalen Lagers, einem reifen und mächtigen Mann, ein pikanter Leckerbissen zum Cocktail.
24
» Ich nehme an, dass viele Leute meine Beziehung zu Juan Luis verwunderlich finden, aber für mich ist es, als hätte uns das Schicksal seit Anbeginn der Zeit füreinander bestimmt.«
Natürlich gehörte auch ich zu denen, die das Paar äußerst ungewöhnlich fanden. Ich tat mich schwer mit der Vorstellung, dass diese Frau mit ihrer sympathischen Ausstrahlung, ihrer weltgewandten und ausgesprochen koketten Art, die mir gegenübersaß, eine feste Beziehung zu einem nüchternen Militär von hohem Rang unterhielt, der zudem doppelt so alt war wie sie. Die Brise vom nahen Meer ließ das blau-weiß gestreifte Sonnendach über unseren Köpfen flattern, während wir auf der Terrasse Fisch aßen und dazu Weißwein tranken. Mit sich brachte sie einen Geruch nach Salpeter und
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