Das Echo der Traeume
zauberhaft, wir plauderten, und er lud mich zum Essen ein, aber ich hatte bereits Monk-Masons Einladung angenommen, deshalb verabredeten wir uns für den nächsten Tag.«
Inzwischen waren die Tische um uns herum nahezu alle besetzt. Hin und wieder grüßte Rosalinda jemanden mit einer schnellen Geste oder einem kurzen Lächeln, ohne sich jedoch bei der Schilderung jener ersten Begegnungen mit Beigbeder unterbrechen zu lassen. Auch ich erkannte einige vertraute Gesichter wieder, Leute, die ich durch Ramiro kennengelernt hatte und nun lieber ignorierte. Deshalb konzentrierten wir uns beide nur aufeinander: Sie redete, ich hörte zu, wir aßen unseren Fisch, tranken gekühlten Wein und kümmerten uns nicht um den Rest der Welt.
» Als ich am nächsten Tag ins Hochkommissariat ging, erwartete ich, der Umgebung entsprechend, ein formelles Essen: ein großer Tisch, Förmlichkeiten, Kellner, die herumstehen … Aber Juan Luis hatte für uns einen schlichten Tisch für zwei Personen an einem geöffneten Fenster zum Garten vorbereiten lassen. Ein unvergesslicher Lunch. Er redete ohne Unterlass über Marokko, sein glückliches Marokko, wie er es nennt. Über die Magie des Landes, seine Geheimnisse, seine faszinierende Kultur. Nach dem Mittagessen beschloss er, mir die Umgebung von Tetuán zu zeigen, so beautiful. Wir fuhren mit seinem Dienstwagen, stell dir vor, mit einer Schar von Polizisten und Adjutanten auf Motorrädern im Gefolge, so embarrassing! Anyway, wir landeten schließlich am Strand und setzten uns ans Ufer, während die anderen an der Straße warteten, can you believe it?«
Sie lachte auf, und auch ich lächelte. Es musste wirklich eine sonderbare Situation gewesen sein: Der höchste Vertreter des Staates im Protektorat mit einer erst vor Kurzem angekommenen Ausländerin, die seine Tochter sein könnte, und die beiden sitzen offen flirtend am Ufer des Meeres und werden dabei von dem motorisierten Gefolge ungeniert aus der Ferne beobachtet.
» Und dann nahm er zwei Steine, einen weißen und einen schwarzen, führte die Hände hinter den Rücken und hielt sie dann mit geschlossener Faust vor sich. › Wähl aus‹, sagte er. › Was soll ich auswählen‹, fragte ich. › Eine Hand‹, erwiderte er. › Wenn es die mit dem schwarzen Stein ist, verschwindest du heute aus meinem Leben, und ich werde dich nie wiedersehen. Wenn es die mit dem weißen ist, dann bedeutet das, das Schicksal will, dass du bei mir bleibst.‹«
» Und, kam der weiße Stein?«
» Es kam tatsächlich der weiße Stein«, bestätigte sie mit einem strahlenden Lächeln. » Ein paar Tage später schickte er zwei Wagen nach Tanger, einen Chrysler Royal zum Transport meiner Sachen und für mich den Dodge Roadster, mit dem wir heute gekommen sind, ein Geschenk des Direktors der Banca Hassan in Tetuán, den Juan Luis mir zugedacht hat. Seit damals waren wir keinen Tag mehr getrennt, außer wenn er aufgrund seiner Verpflichtungen verreisen musste. Momentan wohne ich mit meinem Sohn Johnny in dem Haus am Paseo de las Palmeras, einer wunderschönen Villa mit einem Bad, das eines Maharadschas würdig wäre, und einer Toilette wie einem Königsthron, aber von den Wänden fällt der Putz, und es gibt nicht einmal fließendes Wasser. Juan Luis wohnt nach wie vor im Hochkommissariat, denn so verlangt es sein Amt. Wir haben nicht vor zusammenzuwohnen, doch er findet trotzdem, dass er keinen Grund hat, seine Beziehung zu mir zu verheimlichen, obwohl sich daraus für ihn manchmal durchaus heikle Situationen ergeben können.«
» Weil er verheiratet ist …«, meinte ich.
Sie lachte unbekümmert und schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
» Nein, nein, das ist nicht wirklich wichtig, ich bin auch verheiratet. Das ist ganz allein unsere Sache, our concern, absolut privat. Das Problem ist eher öffentlicher, sagen wir, offizieller Art. Manche Leute finden, dass eine Engländerin einen nicht gerade ratsamen Einfluss auf ihn ausüben könnte, und das lässt man uns auch ganz unverhohlen spüren.«
» Wer denkt denn so?« Rosalinda sprach derart offen mit mir, dass ich mich ganz automatisch berechtigt fühlte, sie um eine Erklärung zu bitten, als ich bei ihrer Erzählung nicht mehr mitkam.
» Die Nazis, die im Protektorat leben. Allen voran Langenheim und Bernhardt. Sie denken, der Hochkommissar müsste mit jeder Faser seines Herzens für die Deutschen sein, hundertprozentig auf ihrer Seite stehen, da sie euch schließlich in eurem Krieg
Weitere Kostenlose Bücher